Treue J-BIG Leser wissen, dass unser Herausgeber und Chefredakteur Björn Eichstädt ein tiefes Interesse an allem hat, was mit der japanischen Geschäftswelt zu tun hat. Dass seine Faszination für das Land der aufgehenden Sonne aber weit zurückreicht – sowohl beruflich als auch privat – ist vielleicht nicht jedem bekannt. Zur Abwechslung wird in dieser Ausgabe von J-BIG der Interviewer zum Interviewten: Im Gespräch mit Eiki Hayashi, dem Deutschland-Korrespondenten des Nikkei, der sich bereit erklärt hat, als Gastinterviewer für diese Sonderausgabe zu fungieren, spricht Björn Eichstädt über die Anfänge seiner Liebe zu Japan, das Japan-Geschäft der Kommunikationsagentur Storymaker, die er als geschäftsführender Gesellschafter mitführt, und die Geburtsstunde von J-BIG.
Eiki Hayashi: Erzählen Sie uns ein wenig über Storymaker. Wie sieht Ihr derzeitiges Geschäft aus und woher kommt das Unternehmen?
Björn Eichstädt: Storymaker ist eine Kommunikationsagentur mit den Schwerpunkten Story, Themenentwicklung, PR, digitale Kommunikation und Content Creation. Gegründet wurde die Agentur 2001 von der deutschen Technologie- und Wirtschaftsjournalistin Heidrun Haug. In den 1990er Jahren hatten Unternehmer, die sie interviewt hatte, bei ihr angefragt, ob sie ihnen beim Aufbau ihrer PR-Aktivitäten helfen könne. Aus ihrer Tätigkeit als Journalistin wusste sie, dass, wenn ein Unternehmen eine Pressemitteilung oder Informationen über neue Produkte verschickte, oft eines fehlte: die Story. In der Regel gab es eine Menge Fakten über Produkteigenschaften oder Verkaufszahlen, aber wenig bis gar keinen Einblick in das Unternehmen als Ganzes. Gleichzeitig zeigten ihre Gespräche mit hochrangigen Unternehmern aus dem Silicon Valley und Deutschland deutlich, dass es fast immer eine interessante Geschichte zu erzählen gab: Einen Grund, warum das Unternehmen existiert, oder eine kühne Vision für die Zukunft, die sich in der Kommunikation des Unternehmens nicht widerspiegelte. Also sagte sie sich: „Das Wichtigste, das Unternehmen kommunizieren müssen, ist die Story – und ich werde ihnen dabei helfen.“ Das war die Geburtsstunde von Storymaker.
Am Anfang war das Unternehmen eine reine PR-Agentur, die auf Heidis journalistischem Hintergrund basierte. Sie sprach mit Journalisten, organisierte Pressekonferenzen und so weiter. Mit der Zeit entwickelte sich Storymaker jedoch zu einer breiter aufgestellten Kommunikationsagentur. Wir begannen, Blog-Inhalte zu schreiben und wurden im Bereich der sozialen Medien aktiv. Wir begannen auch, Videos und andere multimediale Inhalte zu produzieren, die auf der Unternehmensgeschichte basieren: Mitarbeiter- oder Kundenmagazine, Powerpoint-Präsentationen – welches Format oder welcher Touchpoint auch immer sinnvoll war, um die Story eines Unternehmens zu vermitteln.
Eiki Hayashi: Auf welche Arten von Unternehmen haben Sie sich konzentriert?
Björn Eichstädt: Die Agentur wurde in den späten Neunzigern konzipiert und 2001 gegründet, Storymaker startete also während der so genannten „New Economy“, dem Aufstieg vieler neuer Internetfirmen. Alle unsere ersten Kunden waren daher deutsche oder amerikanische IT-Unternehmen. Doch dann platzte Anfang der 2000er Jahre die „dot.com-Blase“, wovon auch viele unserer Kunden betroffen waren. Außerdem wurde es für uns aufgrund von Wettbewerbsverboten immer schwieriger, unseren Kundenstamm zu erweitern: Wenn wir zum Beispiel einen Kunden hatten, der sehr gut im Bereich Customer Relationship Management (CRM) war, konnten wir keinen anderen Kunden aus diesem Bereich aufnehmen, der ja quasi die Konkurrenz darstellte. Also beschlossen wir, unseren Fokus auf andere technologiebezogene Branchen zu erweitern. Storymaker wurde in Tübingen gegründet, einer Universitätsstadt in Baden-Württemberg, in deren geografischer Nähe viele Maschinen- und Anlagenbauer ansässig sind. Dies war unser erstes Expansionsgebiet, zusammen mit einigen Vorstößen in den Automobilbereich. Heute decken wir fast alles ab, was im weitesten Sinne unter den Begriff „Technologie“ fällt. IT, Engineering, Maschinenbau, Unterhaltungselektronik, Automobil, Automatisierung und Robotik sind aber die Industriebereiche, in denen wir uns am heimischsten fühlen und am meisten Erfahrung haben.
Mit der Ausweitung auf neue Branchen haben wir auch unser Dienstleistungsangebot weiter ausgebaut. Im Wesentlichen helfen wir Unternehmen dabei, ihre Story zu erzählen. Wir entwickeln gemeinsam Themen und Formate für die Kommunikation, von Text oder Grafik bis hin zu Fotografie und Videoproduktion. Ich denke, dass unser journalistisches Erbe immer noch zum Tragen kommt, wenn es darum geht, eine Story und die richtigen Themen zu finden. Gleichzeitig haben wir uns aber auch zu einer Art Medienproduktionsunternehmen entwickelt. Eine Ausnahme ist der Bereich Werbung, den wir nur sehr selten bedienen und nicht zu unserer Kernkompetenz zählen würden. Wir gehen immer von der Story aus und versuchen, unsere Kunden davon zu überzeugen, fesselnde Inhalte zu erstellen, anstatt einfach Werbeflächen zu kaufen.
Und schließlich sind wir 2007 auch in Ostasien aktiv geworden. In diesem Jahr haben wir eine Repräsentanz in Peking, China, eröffnet, um einen unserer deutschen Kunden bei seinem ersten China-Projekt zu unterstützen. Daraus hat sich für Storymaker ein sehr erfolgreiches China-Geschäft entwickelt, das heute von meiner Kollegin Theresa Stewart geleitet wird.
Eiki Hayashi: Was ist Ihre eigene Rolle im Unternehmen und seit wann sind Sie bei Storymaker?
Björn Eichstädt: Heute bin ich Miteigentümer des Unternehmens und leite es als einer von drei Geschäftsführern mit. Aber angefangen habe ich als erster Trainee von Storymaker. Das Unternehmen war erst ein paar Wochen alt, als ich mein Studium in Tübingen beendete und anfing, dort zu arbeiten. Ich glaube, ich war der vierte oder fünfte Mitarbeiter. Ich habe mich relativ schnell im Unternehmen entwickelt und wurde nach einigen Jahren stellvertretender Geschäftsführer. Dann übernahm ich einen kleinen Anteil und wurde später Co-Geschäftsführer und ein größerer Anteilseigner des Unternehmens.
Eiki Hayashi: Sie sind inzwischen auch für das wachsende Geschäft von Storymaker mit japanischen Unternehmen verantwortlich. Wie kam es zu diesem Japan-Fokus?
Björn Eichstädt: Privat habe ich mich schon sehr lange für Japan interessiert. Meinen ersten japanischen Anime habe ich im Fernsehen gesehen, als ich etwa vier Jahre alt war – auch wenn ich damals noch nicht wusste, dass „Heidi“ oder „Biene Maja“ irgendetwas mit Japan zu tun haben. Entscheidender war, dass ich ein Nintendo-Kind der ersten Generation bin – 1987 bekam ich die erste Europaversion der Famicom-Konsole von Nintendo. Damals war ich 12 Jahre alt und der erste an meiner Schule, der ein Nintendo Entertainment System besaß. Ich wurde ein großer Fan von „Super Mario Bros.“ und „The Legend of Zelda“. Durch „Power Play“, die erste deutsche Zeitschrift, die sich speziell mit Videospielen beschäftigte, wurde ich darauf aufmerksam, dass all diese wunderbaren Spiele und Konsolen aus Japan kamen. Nintendo, Sega, die PC Engine: alle japanisch. Das war das erste Mal, dass ich Japan als ein Land der Technologie und Innovation wahrnahm.
Während meiner Studienzeit begann ich mich auch sehr für das japanische Kino zu interessieren. Es begann mit J-Horror-Filmen wie „Ringu“ oder „Ju-On“, aber im Laufe der Jahre habe ich Hunderte von japanischen Filmen gesehen – nicht zuletzt dank des Nippon Connection Filmfestivals, das 2001 in Frankfurt begann und heute das größte japanische Filmfestival der Welt ist. Seit dem zweiten Jahr bin ich ein treuer Besucher. Durch diese Filme habe ich viel über die japanische Kultur und Gesellschaft gelernt, und sie trugen wesentlich dazu bei, dass ich mich immer mehr für Japan begeisterte.
Eiki Hayashi: Aber es gab zu diesem Zeitpunkt noch keine geschäftliche Verbindung zu Japan – durch die Universität oder die Arbeit?
Björn Eichstädt: Nein, ich habe Neurobiologie studiert, und meine Japan-Obsession beschränkte sich rein auf mein Privatleben. Ich war zu diesem Zeitpunkt auch noch nie in Japan gewesen. In den 2000er Jahren war der Yen sehr hoch, so dass Reisen nach Japan recht teuer waren – zu teuer für einen jungen Uni-Absolventen, der gerade seine erste Vollzeitstelle als Trainee angetreten hatte. Erst im Jahr 2010, nach meiner Hochzeit, betrat ich zum ersten Mal japanischen Boden. Meine Frau interessierte sich auch für das Land, und wir beschlossen, auf eine große Hochzeitsfeier zu verzichten und das Geld stattdessen in eine dreiwöchige Hochzeitsreise nach Japan zu investieren. Ich kann ganz ehrlich sagen, dass diese Reise mein Leben verändert hat. Alles daran hat mich begeistert, und nur neun Monate später reisten wir erneut nach Japan. Nach zwei oder drei Jahren hatten wir fünf private Reisen nach Japan unternommen, und jede verstärkte bei mir den Wunsch nach einer Wiederholung.
Gleichzeitig sah ich immer mehr Verbindungen zu unserer Arbeit bei Storymaker, nämlich das Thema Technologie. Mit jeder Reise fielen mir mehr und mehr japanische Technologieunternehmen auf, die großartige Produkte anboten, aber in Europa nicht präsent waren. Ich las viele Wirtschafts- und Technologiemedien, und selten sah ich etwas über ein japanisches Unternehmen. Da fing ich an, darüber nachzudenken, wie ich mein privates Interesse an Japan mit meiner Arbeit verbinden könnte. Vielleicht könnte meine Liebe zu Japan mir helfen, japanische Unternehmen in Deutschland und Europa bekannter zu machen? Im Jahr 2012 beschloss ich, es zu versuchen. Ich wandte mich an japanische Unternehmen und bot ihnen an, sie bei ihrer Kommunikationsarbeit zu unterstützen.
Eiki Hayashi: Warum, glauben Sie, blieben so viele japanische Unternehmen in Deutschland und Europa eher unbemerkt?
Björn Eichstädt: Dafür gibt es eine Reihe von Gründen, und es ist auch wichtig festzustellen, dass dies nicht immer der Fall war. In den 1970er und 1980er Jahren waren japanische Unternehmen in Europa und in den USA sehr viel sichtbarer – so sichtbar, dass der Westen anfing, ein wenig Angst vor Japan zu bekommen. Ich habe eine alte SPIEGEL-Ausgabe aus den frühen 1980er Jahren in meinem Archiv, die auf der Titelseite ein japanisches Auto zeigt. Das Auto grinst bedrohlich und es wird suggeriert, dass japanische Autohersteller die deutsche Automobilindustrie zerstören werden. Parallel kaufte in den USA Sony etablierte Unterhaltungsunternehmen wie Columbia CBS auf. All das führte zu einem massiven Widerstand gegen die vermeintliche Machtübernahme Japans, und führte möglicherweise dazu, dass Unternehmen ihre Kommunikation zurückschraubten. Später gewannen Länder wie Korea und China an Bedeutung, und europäische Medien richteten ihre Aufmerksamkeit auf diese asiatischen Länder, während Japan mehr in den Hintergrund trat. Drittens konzentrierten sich viele japanische Unternehmen nach dem Platzen der japanischen Blase Anfang der 1990er Jahre wieder verstärkt auf den japanischen Markt. Und nicht zuletzt spielen meines Erachtens auch die japanische Kultur und Gepflogenheiten eine entscheidende Rolle. Meiner Erfahrung nach prahlen die Japaner nicht gerne. Sie wollen potentielle Kunden durch ihre Produkte, durch Qualität überzeugen – nicht dadurch, dass sie am lautesten schreien.
Ich vermute, dass die Kommunikation mit ausländischen Medien deshalb seit den 1990er Jahren zum Erliegen gekommen ist. Das bestätigt im Wesentlichen eine Umfrage, die wir 2014 gemeinsam mit JETRO unter deutschen Journalisten durchgeführt haben. Wir baten sie, japanische Unternehmen aufzuzählen, die sie kennen. Alle Namen, die genannt wurden, gab es bereits in den 1980er Jahren. Niemand schien wichtige aufstrebende Unternehmen wie SoftBank oder Rakuten auf dem Schirm zu haben.
Eiki Hayashi: Wie gedachten Sie, das zu ändern?
Björn Eichstädt: Am Anfang war ich unglaublich naiv. Ich wollte mit japanischen Unternehmen und ihren Entscheidungsträgern über diese Situation sprechen, aber ich kannte niemanden, der dort arbeitete. Ich hatte weder ein deutsch-japanisches Netzwerk noch Erfahrung in diesem Bereich. Ich spreche nicht einmal richtig Japanisch! Man hätte sicher denken können, dass ich mich auf dem Holzweg befinde, aber ich fing einfach an, mit Leuten zu reden, wo immer ich konnte. Ich fragte Bekannte, ob sie Kontakte in einem japanischen Unternehmen haben. Ich ging zu Messen und begann, am Stand mit japanischen Unternehmen zu sprechen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit versuchte ich, mit der japanischen Gemeinschaft in Deutschland in Kontakt zu kommen. Und dann erinnerte ich mich daran, dass wir Jahre zuvor unseren Kunden SCHOTT, der auch mit unserer China-Expansion in Verbindung stand, mit einer japanischen Agentur in Kontakt gebracht hatten, die dem Unternehmen beim Ausbau der dortigen Medienpräsenz helfen sollte. Ich kontaktierte die Agentur aus heiterem Himmel, und sie vernetzte mich mit einem Expat-Mitarbeiter in München. Das war mein erster bedeutsamer Kontakt aus der japanischen Geschäftswelt, und wir sind bis heute in Verbindung geblieben. Ich erzählte ihm von meinen Plänen, und um ehrlich zu sein, war er sehr skeptisch. Er sagte mir, dass japanische Unternehmen kaum daran interessiert seien, im Ausland PR zu machen. Und obwohl er mir zustimmte, dass dies nicht der richtige Weg sei, warnte er mich, dass es sehr schwierig sein würde, sie umzustimmen. Aber ich ließ mich nicht entmutigen, und wir trafen uns weiterhin regelmäßig.
Ende 2012 eröffnete er mir, dass es vielleicht endlich ein Projekt gäbe, an dem ich mitarbeiten könnte – mit einem japanischen Sanitärunternehmen namens TOTO, der Firma hinter der berühmten Hightech-Toilette „Washlet“. TOTO arbeiteten damals mit dem deutschen Sanitärhersteller Villeroy & Boch zusammen und wollten eine Pressekonferenz auf der ISH-Messe in Frankfurt veranstalten. Daraus wurde das erste Projekt von Storymaker mit Japan-Bezug. Noch im selben Jahr folgte ein Projekt mit Panasonic im Telefonbereich.
Eiki Hayashi: Wie würden Sie Ihre ersten Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit japanischen Unternehmen in Deutschland beschreiben? Was ist Ihnen dabei besonders aufgefallen?
Björn Eichstädt: Beide Projekte waren ein Erfolg, aber ich fand, dass es auch noch viel ungenutztes Potenzial gab. Ich hatte das Gefühl, dass die Kommunikation zwischen den Tochtergesellschaften vor Ort und der japanischen Zentrale sehr schwierig war, und dass ich mehr Erfahrung mit der japanischen Seite brauchte, um diese besser zu verstehen. Also unternahm ich im Juli 2013 meine erste Geschäftsreise nach Japan. Mein Ziel war es vor allem, mit Menschen zu sprechen und so viel wie möglich zu lernen. Ich wollte verstehen, wie Messen in Japan funktionieren, wie anders an PR herangehen und wie sie den europäischen Markt sehen. Auf dieser ersten Reise hatte ich nur eine Handvoll Treffen und lernte tatsächlich sehr wenig. Aber trotzdem war es hilfreich. Von da an beschloss ich, alle drei Monate für eine Woche nach Japan zu reisen – und diesen Zeitplan habe ich bis zum Beginn von Corona Anfang 2020 auch eingehalten. Im Mai 2022 bin ich zum ersten Mal zurückgekehrt, und seither war ich wieder fünf Mal in Japan.
Eiki Hayashi: Das hört sich nach einer schönen Erfolgsgeschichte an. Gab es auch Herausforderungen, die Sie bewältigen mussten?
Björn Eichstädt: Auf jeden Fall. Bislang haben wir für fast 40 japanische Unternehmen gearbeitet, mit einer wachsenden Anzahl von Kunden, für die wir dauerhaft tätig sind. Aber es hat sehr lange gedauert, bis wir so weit gekommen sind, und der Weg war nicht immer einfach. Eine Hürde wurde sehr deutlich, als ich unseren ersten japanischen Kunden vor Ort in Japan gewann. Das war 2014, und das Unternehmen war ein Exporteur von Gartenbäumen. Während der Unternehmer sehr gut Englisch konnte, sprachen die meisten seiner Mitarbeiter nur Japanisch – ich hingegen nicht. Es gab jede Menge Missverständnisse und Probleme. Insofern ist es vielleicht nicht überraschend, dass dies das erste Projekt war, das überhaupt nicht erfolgreich war. Ich würde es sogar als einen großen Misserfolg betrachten. Aber es führte mich zu einer wichtigen Erkenntnis: Ich konnte das innerhalb von Storymaker nicht alleine stemmen. Zumindest brauchte ich jemanden an Bord, der Japanisch sprechen konnte. Und so bekam Storymaker 2015 seinen ersten japanischen Mitarbeiter. Das war ein weiterer wichtiger Baustein für unseren Erfolg.
Ich muss auch hinzufügen, dass der Aufbau des Japan-Geschäfts nur möglich war, weil Storymaker auch andere Geschäfte mit deutschen, amerikanischen, britischen und französischen Unternehmen sowie ein wachsendes China-Geschäft hatte. Wie Sie wissen erfordert die Zusammenarbeit mit japanischen Unternehmen viel Beziehungsarbeit und Vertrauensaufbau, und das braucht Zeit. Hätte ich nicht die Unterstützung der Agenturgründerin gehabt und andere Kunden, die uns regelmäßige Umsätze brachten, dann hätten wir heute kein Japan-Geschäft.
Eiki Hayashi: Welche Rolle spielt das Geschäft mit japanischen Unternehmen heute bei Storymaker?
Björn Eichstädt: Das variiert ein wenig, aber in den letzten zwei oder drei Jahren machte unser Japan-Geschäft zwischen 15 und 20 Prozent unseres Gesamtumsatzes aus. Es ist seit geraumer Zeit ein wachsendes und – was für uns vielleicht noch wichtiger ist – ein sehr stabiles Geschäftssegment. Selbst im ersten Corona-Jahr, als der Umsatz in vielen anderen Bereichen rückläufig war, blieb das Japan-Geschäft mehr oder weniger unverändert. Ich denke, das hatte viel mit der japanischen Einstellung zu Kontinuität zu tun. Japanische Unternehmen haben in dieser Zeit kaum Mitarbeiter entlassen, und sie haben auch ihre Agenturen und andere Dienstleister nicht fallen gelassen. Es mag lange dauern, eine Beziehung zu einem japanischen Unternehmen aufzubauen, aber wenn sie einmal etabliert ist, ist diese Beziehung stark und kann auch schwierige Zeiten überdauern. Das war eine sehr aufschlussreiche und positive Erfahrung für mich.
Eiki Hayashi: Was ist in Ihren Augen der größte Unterschied zwischen der Arbeit mit deutschen und japanischen Unternehmen?
Björn Eichstädt: Nach meiner Erfahrung wollen die Deutschen immer effizient sein. Das bedeutet auch, möglichst wenig Aufwand zu betreiben, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Und weil Effizienz so hoch geschätzt wird, ist es auch eine Frage des Respekts, sich prägnant und effizient auszudrücken oder zu kommunizieren – also die Zeit des Gegenübers nicht zu verschwenden. Die Japaner hingegen wollen so ganzheitlich wie möglich sein. Für sie ist es wichtig, jedes einzelne Detail zu berücksichtigen und eher gründlich zu sein als effizient. Das kann zu Missverständnissen führen. Ich habe das schon oft erlebt, wenn ein japanisches und ein deutsches Unternehmen ein Treffen anberaumen. Beide wollen zeigen, wie wichtig dieses Meeting für sie ist. Für die japanische Seite bedeutet das: Sie schicken zehn Leute, die alle möglichen Aspekte abdecken, die zur Sprache kommen könnten. Für die Deutschen bedeutet es, dass sie im Extremfall nur eine Person schicken: den Chef. Das signalisiert, dass die Angelegenheit für das Management wichtig ist und sie jemanden geschickt haben, der befugt ist, Entscheidungen zu treffen. Gute Absichten auf beiden Seiten, aber sicherlich eine nicht gerade ideale Gesprächssituation.
Ein weiterer Bereich, in dem sich das stark bemerkbar macht, ist die Entscheidungsfindung. Für ein deutsches Unternehmen gilt es als ideal, schnell eine Entscheidung zu treffen – auch hier ist Effizienz gefragt – und dann bei Bedarf Anpassungen vorzunehmen. Japanische Unternehmen brauchen in der Regel viel länger, um eine Entscheidung zu treffen, weil sie vorher alle Aspekte berücksichtigen wollen. Wenn die Projekte erst einmal angelaufen sind, sind sich aber alle zu 100 Prozent darüber im Klaren, was passieren wird. Aus deutscher Sicht hat man oft den Eindruck, dass japanische Unternehmen sehr langsam arbeiten und wertvolle Zeit vergeuden. Ich habe eine Weile gebraucht, um zu begreifen, dass es eigentlich nur eine andere Herangehensweise an ein Projekt ist. Und obwohl es vielleicht länger dauert, bis man anfängt, laufen die Dinge im Verlauf des Projekts oft reibungsloser ab. Mit der Zeit habe ich diesen Arbeitsstil sehr zu schätzen gelernt.
Das Gleiche gilt zum Beispiel für das Thema Innovation. In Japan wird viel darüber diskutiert, ob man den disruptiven Innovationsstil des Silicon Valley übernehmen sollte. Meiner Meinung nach gehen die Japaner anders an Innovationen heran: Anstatt etwas völlig Neues von Grund auf zu entwickeln, konzentrieren sie sich viel mehr auf kontinuierliche Verbesserungen. Während die Amerikaner auf Schnelligkeit setzen – man denke nur an Slogans wie ‚fail fast‘ – sind japanische Innovatoren sehr detailorientiert und wollen ein Produkt erst dann auf den Markt bringen, wenn sie vollkommen zufrieden damit sind. Deutschland liegt meist irgendwo in der Mitte. Auch hier denken viele, Japan sei langsam, wenn es um Innovation geht. Aber ich sehe das nicht so.
Eiki Hayashi: Haben diese Unterschiede Einfluss auf die Kommunikation in beiden Ländern?
Björn Eichstädt: Auf jeden Fall, sowohl intern als auch extern. Die japanische Herangehensweise an Produkteinführungen funktioniert zum Beispiel im Inland gut, weil die Menschen der Qualität japanischer Produkte vertrauen und sich nicht so sehr für den Zeitrahmen interessieren. Wichtig ist vielmehr, dass ein Produkt perfekt funktioniert, wenn sie es gekauft haben. Aber außerhalb Japans sind viele Märkte stärker trendorientiert. Und manchmal ist ein Trend vielleicht schon am Ende, wenn ein japanisches Produkt auf den Markt kommt. Der Perfektionismus japanischer Unternehmen kann hier zum Nachteil werden. Auch in der traditionellen PR kann diese scheinbare Langsamkeit problematisch sein: Wir hören immer wieder von Journalisten, die versuchen, mit japanischen Unternehmen in Kontakt zu treten, aber erwarten, dass sie innerhalb weniger Tage eine Stellungnahme oder ein Interview mit jemandem aus dem Topmanagement erhalten. Dies ist der Standard für die journalistische Arbeit in deutschen Medien, aber für japanische Unternehmen eine nahezu unerfüllbare Erwartung. Die Folge ist, dass ihnen wertvolle Kommunikationsmöglichkeiten entgehen.
Mir ist auch aufgefallen, dass dieselben Wörter manchmal unterschiedliche Erwartungen und Bedeutungen ausdrücken, was häufig zu Missverständnissen führen kann. Nehmen Sie zum Beispiel „Qualität“ oder „Pünktlichkeit“. In Deutschland gilt ein Zug der Deutschen Bahn als pünktlich, wenn er nicht mehr als fünf Minuten zu spät kommt – er wird in keiner Verspätungsstatistik auftauchen. Diese lockere Auslegung des Begriffs „pünktlich“ würde in Japan niemals funktionieren. Eine fünfminütige Verspätung wäre ein Grund für eine nationale Pressekonferenz! Es wird also dasselbe Wort verwendet, aber was dieses Wort impliziert, ist sehr unterschiedlich.
Das Gleiche passiert immer wieder, wenn deutsche Unternehmen zum ersten Mal mit japanischen Unternehmen in Kontakt kommen. Stellen Sie sich ein deutsches Unternehmen vor, das eine ganz spezielle Automatisierungslösung benötigt und mit verschiedenen Unternehmen Kontakt aufnimmt, um herauszufinden, ob sie ihm dabei helfen können. Sie fragen ein amerikanisches Unternehmen, das sehr schnell antwortet, dass man mit seinem Produkt alles machen kann, kein Problem. Wenn sie mit deutschen Unternehmen sprechen, könnte die Antwort lauten: „Wir müssen das kurz prüfen und melden uns wieder bei Ihnen.“ Sie würden wahrscheinlich innerhalb einer Woche eine Antwort erhalten. Aber das japanische Unternehmen sagt: „Können Sie uns bitte Ihr Produkt und eine Erklärung Ihrer Produktionslinie schicken? Wir werden das in unserem Labor überprüfen“. Ein halbes Jahr später melden sie sich bei dem deutschen Unternehmen mit einer detaillierten Analyse, wie die Lösung realisiert werden kann. Aber das deutsche Unternehmen war sich inzwischen sicher, dass es nichts mehr vom japanischen Unternehmen hören wird, und hat sich für einen anderen Anbieter entschieden. Außerdem arbeitet der ursprüngliche Ansprechpartner nicht mehr für das deutsche Unternehmen, so dass es keinen etablierten Kontakt mehr gibt. So etwas kommt immer wieder vor. Die ganze Kommunikationskultur ist einfach sehr verschieden.
Eiki Hayashi: Erschweren all diese Unterschiede Ihrer Erfahrung nach die Zusammenarbeit von deutschen und japanischen Unternehmen?
Björn Eichstädt: Nicht unbedingt, aber es ist wichtig, sich dieser Unterschiede bewusst zu sein, um sie richtig interpretieren und damit umgehen zu können. Als ich anfing mit Japanern zu arbeiten, war ich nicht davon überzeugt, dass dieses ganze Gerede über interkulturelle Kommunikation wirklich begründet ist. Ich war der Meinung, dass in einer globalisierten Welt keine kulturellen Schulungen notwendig sind. Aber ich habe meine Meinung diesbezüglich geändert. Heute bin ich sogar der Überzeugung, dass es absolut notwendig ist, ein Verständnis für die japanische Geschäftskultur zu entwickeln, wenn man mit japanischen Unternehmen zusammenarbeiten möchte. Andernfalls werden Sie bei allem, vom Budgetierungsprozess bis hin zur Meetingkultur, ratlos zurückbleiben oder das Gefühl haben, dass Ihre Gesprächspartner sich seltsam und irrational verhalten – obwohl sie in Wirklichkeit viele Dinge einfach aus einer anderen Perspektive betrachten. Verständnis ist entscheidend für eine respektvolle Arbeitsbeziehung.
Auf der anderen Seite bleiben Menschen, die bereit sind, sich auf die japanische Unternehmenskultur einzulassen, dieser oft treu. Es ist wohl kein Zufall, dass viele der Interviewpartner von J-BIG von einer ungewöhnlich hohen Mitarbeiterbindung in ihren Unternehmen berichten. Es ist nicht ungewöhnlich, dass deutsche Mitarbeiter 25 Jahre und länger in japanischen Unternehmen arbeiten. In einem deutschen Unternehmen können fünf Jahre schon als lange Zeit gelten.
Eiki Hayashi: Lassen Sie uns nun den Blick auf J-BIG richten, das von Storymaker herausgegeben wird. Warum haben Sie sich entschieden, dieses digitale Business-Magazin zu veröffentlichen?
Björn Eichstädt: Es gibt mehrere Gründe, warum wir beschlossen haben, J-BIG zu gründen. Die Idee kam mir erstmals im Frühjahr 2020, während des ersten Corona-Lockdowns in Deutschland. Viele unserer Kunden hatten gemeinsame Projekte vorübergehend gestoppt. Ich saß zu Hause in meinem Büro, schaute aus dem Fenster und beobachtete jeden Tag das gleiche Eichhörnchen, das vor unserem Haus auf einen Baum kletterte. Um ehrlich zu sein langweilte ich mich. Und zum ersten Mal seit langem hatte ich etwas Zeit zur Verfügung. Also fing ich an, über unser Japan-Geschäft nachzudenken. Wir hatten bereits für viele japanische Unternehmen gearbeitet, hatten feste Kunden wie NTT Data, Toray oder Mazda. Und es war uns gelungen, viele dieser Kunden in die Wirtschafts-, Tages- und Branchenmedien zu bringen. Aber diese Beiträge waren immer mit einem bestimmten Thema oder aktuellen Ereignissen verbunden. Es war sehr schwierig, einen Rahmen zu finden, in dem man ein Unternehmen einfach als Ganzes vorstellen konnte, seine komplette Story erzählen.
Mir war auch aufgefallen, dass japanische Unternehmen zögerlich auf Interviewanfragen oder Ähnliches antworteten, wenn ich sie über Storymaker als Agentur ansprach – selbst wenn ich nicht versuchte, sie als Storymaker-Kunden zu gewinnen, sondern Input für einen Artikel brauchte, an dem ich gerade arbeitete. Ich verfasse immer wieder Artikel über japanische Technologie und Innovation für deutsche Fach- oder Wirtschaftsmedien. In beiden Funktionen war mein Anliegen letztlich das Gleiche: Was ich wirklich wollte, war, die Geschichten japanischer Unternehmen zu erzählen, aber es gab nicht den richtigen Touchpoint dafür! Und so dachte ich: „Warum nicht unseren eigenen Touchpoint schaffen? Einen, an dem ich die Geschichte so erzählen kann, wie ich denke, dass sie erzählt werden sollte?“ Als ich im Juni 2020 ins Büro zurückkehrte, besprach ich die Idee mit unserer Japan-Desk-Verantwortlichen Camilla Shiori Speeter, und kurz darauf hatte sie auch schon einen Namen parat: „J-BIG“, kurz für „Japan Business in Germany“. Der Name gefiel mir sehr gut, und so gingen wir zum deutschen Patent- und Markenamt, um den Namen eintragen zu lassen. Im Juli 2020 war J-BIG dann offiziell geboren.
Eiki Hayashi: Eine Marke hatten Sie also – wie wollten Sie Unternehmen dazu bringen, mit J-BIG zu kooperieren?
Björn Eichstädt: Zunächst haben wir einfach angefangen, mit Unternehmen zu sprechen, die wir bereits kannten. Wir stellten unsere Idee für eine hochwertige Wirtschaftspublikation vor und fragten dafür Interviews mit den Verantwortlichen für das Deutschland- oder Europageschäft an. Das Konzept wurde generell positiv aufgenommen, aber verständlicherweise zögerten viele PR-Kontakte, sich an die Geschäftsführung zu wenden, bevor nicht wenigstens ein paar Ausgaben erschienen waren. Wir befanden uns also in einer Art Sackgasse: Wenn niemand den Anfang machen wollte, würde J-BIG nie das Licht der Welt erblicken. Und das hätte es auch nicht, wenn nicht drei Menschen diese Idee wirklich unterstützt hätten: Marketing- und PR-Kontakte bei Panasonic Industry, Fujitsu und Mitsubishi Electric.
Eiki Hayashi: Waren diese Unternehmen Kunden von Ihnen?
Björn Eichstädt: Panasonic Industry hatte hier und da Projekte mit uns gemacht, und Mitsubishi Electric ist heute ein fester Kunde. Fujitsu ist kein Kunde von Storymaker, aber ich hatte ein gutes Verhältnis zu dem ehemaligen PR-Manager dort. Ich kann ehrlich sagen: Ohne diese drei Unternehmen würde es J-BIG nicht geben. Die erste Ausgabe mit Panasonic Industry wurde im November 2020 veröffentlicht, und dies ist nun Ausgabe Nummer 41!
Eiki Hayashi: Sie haben mit einigen sehr etablierten japanischen Unternehmen gesprochen, aber auch mit eher unerwarteten. Ich erinnere mich besonders an das Interview, das Sie mit dem Sexspielzeughersteller Tenga geführt haben – ein Thema, das man in einem Wirtschaftsmagazin vielleicht nicht erwartet. Wie wählen Sie Ihre Interviewpartner aus?
Björn Eichstädt: Die Grundkriterien sind sehr einfach: Es muss einen Bezug zu Japan geben. Es muss ein geschäftlicher Aspekt vorhanden sein. Und ein Teil dieses Geschäfts muss in Deutschland stattfinden. Das war’s. Darüber hinaus versuchen wir, Abwechslung und Spannung in unsere Geschichten zu bringen. Wenn wir jedes Mal mit dem Verantwortlichen für das Deutschlandgeschäft derselben Art von Unternehmen sprechen, kann es schnell eintönig werden. J-BIG wurde als langfristiges Projekt ins Leben gerufen; wir wollen diese Geschichten noch viele Jahre lang weitererzählen. Damit unsere Leser auch nach Jahren noch Freude an dem Magazin haben, müssen wir die Dinge frisch halten. Und manchmal ist etwas Unerwartetes genau der richtige Weg, um das zu erreichen.
Im Fall von Tenga sah ich den Namen an einer Tür in der Immermannstraße, als ich durch Düsseldorf schlenderte, und da klingelte es bei mir. Ich hatte von einem japanischen Geschäftskontakt von dem Unternehmen gehört. Er hatte mir vor einiger Zeit erzählt, dass jeder dieses Unternehmen kennt, aber in den Medien nicht oft darüber gesprochen wird. Ich setzte mich mit Tenga in Verbindung – und der Deutschland-Geschäftsführer war zwar interessiert, aber auch skeptisch, ob sie zu all den „ernsthaften“ Unternehmen passten, mit denen wir normalerweise sprechen. Er war besorgt, dass Tenga unsere Leser schockieren könnte. Also habe ich gefragt: „Nun, sind Sie japanisch?“ Und er sagte ja. „Sind Sie ein Unternehmen?“ Wieder war die Antwort natürlich ja. „Und haben Sie ein Deutschlandgeschäft? Dann passen Sie genau zu J-BIG.“
Ich möchte die Geschäftswelt in einem breiteren Sinne betrachten. Eine Inspiration war dabei das deutsche Wirtschaftsmagazin Brand Eins, insbesondere eine Serie namens „Der Mensch“. Oft ging es dabei um eine Einzelperson als wirtschaftliche Einheit. Ich habe selbst einige Beiträge für diese Serie geschrieben, zum Beispiel über einen Friseur in Kenia. Die Artikel drehten sich darum, wie normale Menschen in verschiedenen Ländern der Welt ihren Lebensunterhalt verdienen, welche Ausgaben oder Fixkosten sie haben, wie das Geschäftsmodell funktioniert. Von dieser Zeitschrift habe ich gelernt, dass man Wirtschaft auf eine sehr breite Art und Weise betrachten kann. So wollte ich auch das Thema „Japan Business in Germany“ für J-BIG angehen.
Bisher haben wir neben den normalen Unternehmen mit einem deutschen Manga-Verlag gesprochen, der uns etwas über das Lizenzgeschäft für Mangas erzählt hat. Wir haben ein Interview mit jemandem geführt, der seine Doktorarbeit über die Geschichte Düsseldorfs als Wirtschaftsstandort für japanische Unternehmen geschrieben hat, und mit einem japanischen Jodler, der in Deutschland sehr erfolgreich geworden ist. All das ist vielleicht nicht das, was man sich klassischerweise unter einem „Management-Thema“ vorstellt, aber es geht trotzdem um ein Business oder um ein wirtschaftliches Thema – und um ein interessantes noch dazu. Wenn wir einen professionellen Jodler interviewen, sprechen wir natürlich nicht über seine größten Hits. Wir sind ja keine Musikzeitschrift. Wir sprechen über die Karriere: wie er sein Einkommen erzielt, die Arbeitsverträge, solche Dinge.
Eiki Hayashi: Wie haben die Leser von J-BIG diese eher ungewöhnlichen Themen aufgenommen?
Björn Eichstädt: Es ist immer ein Risiko, etwas zu machen, was das Publikum nicht erwartet. Schließlich könnte es ihnen nicht gefallen oder sie könnten das Gefühl haben, dass ein Thema zu weit von ihren eigenen Geschäftserfahrungen entfernt ist. Aber bisher haben wir zu diesen Themen keine negativen Rückmeldungen erhalten. Eine interessante Entwicklung gab es allerdings bei der Tenga-Ausgabe: Wir veranstalten oft ein Gewinnspiel, bei dem die Leser ein Produkt des interviewten Unternehmens gewinnen können – in diesem Fall einen Tenga-Roboter. Obwohl wir positives Feedback für das Interview erhalten haben, hat nicht eine einzige Person eine E-Mail geschickt, um an der Verlosung teilzunehmen. Ich denke, dass viele Leute die Ausgabe gerne gelesen haben, aber sie wollten nicht öffentlich kundtun, dass sie einen Sexspielzeughersteller interessant finden.
Eiki Hayashi: Wie fügt sich J-BIG in das Japan-Geschäft von Storymaker ein? Und wie sehen Sie die Entwicklung in der Zukunft?
Björn Eichstädt: J-BIG ist in einer herausfordernden Zeit entstanden, in der „business as usual“ nicht wirklich möglich war. Jetzt, wo das reguläre Geschäft von Storymaker wieder normal läuft, sehen wir, dass J-BIG unsere Sichtbarkeit verändert hat. Und obwohl wir Storymaker und J-BIG als völlig getrennte Aktivitäten betrachten, haben wir durch das Magazin natürlich viele neue Kontakte geknüpft. Gleichzeitig ist Storymaker sehr aktiv in Verbänden wie dem DJW oder der DJG Bayern, was unsere Arbeit bei J-BIG unterstützt.
Ich denke, im Moment wird sich ein Großteil unserer Arbeit darauf konzentrieren, neue Verbindungen zu schaffen und Communities aufzubauen. Das hat in den Corona-Jahren wirklich gelitten, und einige dieser Netzwerke müssen praktisch von Grund auf neu aufgebaut werden. Gleichzeitig befinden sich viele Märkte in einem tiefgreifenden Wandel, zum Beispiel durch das Aufkommen von künstlicher Intelligenz und anderer neuer Technologien. Darin sehe ich viele Chancen. Die Deutschen neigen dazu, Veränderungen gegenüber misstrauisch zu sein. Aber wenn etwas Neues passiert, bedeutet das immer auch, dass neue Verbindungen entstehen und neue Kommunikationsformen geschaffen werden müssen.
Eiki Hayashi: Sie haben ja bereits erwähnt, dass japanische Unternehmen nicht gerade geübt darin sind, sich schnell zu verändern. Befürchten Sie, dass sie nicht in der Lage sein werden, sich an diese tiefgreifenden Transformationen anzupassen?
Björn Eichstädt: Meiner bisherigen Erfahrung nach sind die meisten japanischen Unternehmen immer in der Lage gewesen, sich anzupassen. Sie tun es nur auf ihre eigene, manchmal etwas langsamere Art und Weise. Aber zumindest die größeren japanischen Unternehmen können es sich leisten, in ihrem eigenen Tempo zu gehen, weil sie über das nötige Kapital verfügen. Japanische Unternehmen gehören zu den reichsten der Welt, gemessen an dem Geld, das sie auf der Bank haben. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass japanische Unternehmen oft sehr konservativ mit ihrem Geld umgehen. Selbst in einem sehr profitablen Jahr werden sie keine übermäßigen Boni ausschütten, sondern die Gewinne reinvestieren. Auch wenn es also möglicherweise länger dauert, bis sie sich umstellen können, werden sie nicht nächstes Jahr bankrott gehen. Dieser solide finanzielle Unterbau gibt ihnen Zeit, die richtigen Lösungen zu finden.
Ich glaube auch, dass die gegenwärtigen Entwicklungen japanischen Unternehmen in die Hände spielen werden. Viele der Eigenschaften, die bisher manchmal eher hinderlich waren, können zu einem Vorteil werden: das langsamere Tempo, das mit langfristigem Denken verbunden ist, die ganzheitliche Betrachtung von Problemen, die Betonung von Qualität gegenüber dem Anspruch, der Erste zu sein. Angesichts der aktuellen Umweltsituation sehnen sich viele Kunden nach robusteren Produkten, die lange halten, und das haben japanische Unternehmen schon immer hervorragend hinbekommen. Generell ist die Kommunikation rund um das Thema Nachhaltigkeit ein Bereich, in dem ich große Chancen sehe, sowohl für japanische Unternehmen als auch für Storymaker. Viele japanische Kunden kommen auf uns zu, weil sie das Gefühl haben, dass sie für den europäischen Markt nachhaltiger agieren müssen. Es stellt sich aber oft heraus, dass sie schon seit langem sehr nachhaltig handeln – sie haben es bisher nur noch nie in dieser Weise thematisiert, weil sie es einfach schon immer so gemacht haben.
Gleichzeitig wird der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften vor allem in den Industrieländern den Bedarf an Automatisierungslösungen verstärken – ein weiterer Bereich, in dem Japan sehr stark ist. Ich glaube also, dass es für japanische Unternehmen eine Menge Potenzial gibt. Und das bedeutet auch, dass es für uns große Potenziale in der Zusammenarbeit mit ihnen gibt. Wir können japanischen Unternehmen helfen, zu kommunizieren, neue Verbindungen zu knüpfen und ihre Story zu vermitteln. Ich sehe die Zukunft also sehr positiv, sowohl für unser Japan-Geschäft als auch für die japanische Geschäftswelt insgesamt.