Der Spielwarenhersteller Sekiguchi, der in diesem Jahr sein 106-jähriges Bestehen feiert, ist vor allem als Firma hinter dem Plüschtier Monchhichi bekannt, das sich seit seiner Markteinführung in den 1970er Jahren großer Beliebtheit erfreut. Wir sprachen mit den Brüdern Toshitaka Yoshino, der das Unternehmen seit 2002 als Geschäftsführer leitet, und dem Global Manager Yoshitaka Yoshino darüber, wie das Monchhichi, das in diesem Jahr sein 50-jähriges Jubiläum feiert, zu einer weltweit bekannten Figur wurde, über Sekiguchis Position auf dem deutschen Markt und über die Vision für die Zukunft.
J-BIG: Seit ihrer Einführung in den 1970er Jahren erfreuen sich die Monchhichi in Japan, Deutschland und anderen Ländern der Welt großer Beliebtheit. Wann wurde das Unternehmen Sekiguchi gegründet und wie entstand die Idee für die weltberühmte Puppe?
Toshitaka Yoshino: Sekiguchi wurde vor 106 Jahren, 1918, gegründet. Damals bestand die Haupttätigkeit darin Puppen aus Zelluloid ins Ausland zu exportieren. Nach dem Krieg gelang es dem Unternehmen, ein neues Material, Weichvinyl, einzuführen und Puppen und andere Artikel daraus herzustellen. In den 1960er Jahren jedoch hatten viele japanische Unternehmen mit Devisenproblemen und steigenden Lohnkosten zu kämpfen, und Sekiguchi verlagerte sein Geschäft von der Auftragsfertigung fürs Ausland auf die Entwicklung neuer Produkte und deren Verkauf in Japan selbst. Zuerst stellten wir noch pädagogische Puppen her, so wie heute die „Popo-chan“-Puppe der japanischen Firma People, aber schließlich begannen wir mit der Produktion von Plüschtieren – und in diesem Zusammenhang wurde 1974 das „Monchhichi“ geboren. Dem ging übrigens ein Produkt namens „Kutakuta Monkey“ voraus, das sich gut verkaufte. Monchhichi wurde sozusagen als sein „kleiner Bruder“ eingeführt. Die Verkaufszahlen des jüngeren Geschwisterchens explodierten in Japan schon bei der Markteinführung und in diesem Jahr feiert Monchhichi seinen 50. Geburtstag.
J-BIG: Gab es eine strategische Verkaufskampagne, die von Anfang an zu explosionsartigen Verkaufszahlen führte? Oder entstand der Erfolg eher durch Mundpropaganda?
Toshitaka Yoshino: Zum damaligen Zeitpunkt waren wir noch nicht dazu in der Lage, eine umfassende Marketingkampagne in Japan durchzuführen. Daher verdanken wir den eher zufälligen Verkaufserfolg der organischen Verbreitung des Produkts. Aufgrund der Beliebtheit und der Verkaufszahlen haben wir jedoch Monchhichi anschließend auf der Nürnberger Spielwarenmesse in Deutschland ausgestellt. Daraufhin kam 1975 eine österreichische Verkaufsagentur auf uns zu, und schon bald wurde Monchhichi in Europa, insbesondere im deutschsprachigen Raum, ein noch größerer Erfolg als in Japan.
J-BIG: Hatten Sie vorher schon auf der Nürnberger Spielwarenmesse ausgestellt?
Yoshitaka Yoshino: Es ist heute schwer nachzuvollziehen, ob Sekiguchi zu dieser Zeit auf der Messe ausstellte oder nicht, aber es ist sicher, dass das Unternehmen die Messe in der Vergangenheit oft besucht und sich dort informiert hatte.
J-BIG: Haben Sie schon vor der Markteinführung von Monchhichi Anfragen aus Deutschland erhalten, zum Beispiel, um Zelluloidpuppen zu produzieren?
Toshitaka Yoshino: Bevor sich Sekiguchi auf den japanischen Inlandsmarkt konzentrierte, kamen die Produktionsaufträge hauptsächlich aus den USA, also nicht aus dem deutschsprachigen Raum. Andererseits war Deutschland das erste Land, in dem Monchhichi international verkauft wurde. Später expandierten wir auch in die Benelux-Länder und nach Skandinavien, aber Deutschland blieb immer der größte Markt.
J-BIG: Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für die Beliebtheit von Monchhichi besonders in Deutschland?
Toshitaka Yoshino: Wir haben Monchhichi nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern und Regionen verkauft und hatten nie ein Verkaufsproblem. Zum Beispiel ist es uns gelungen, durch unseren Lizenzvertrag mit Mattel, dem größten Spielwarenhersteller der USA, sehr gute Verkaufszahlen in Amerika zu erzielen. Wir sind davon überzeugt, dass die Monchhichi-Figur selbst als Produkt einen besonderen Charme besitzt. Hinzu kommt, dass sich Spielzeug in Menschengestalt je nach Region unterschiedlich gut verkauft, während Produkte in Tierform überall auf der Welt beliebt sind. Das Tier-Design von Monchhichi ist darum sicherlich ein weiterer Grund für seine Beliebtheit in vielen Ländern.
Yoshitaka Yoshino: Was die Popularität in Deutschland betrifft, so hat uns der österreichische Händler, der Monchhichi als erster in Europa in sein Sortiment aufgenommen hat, auf der Nürnberger Spielwarenmesse vielen deutschen Firmen vorgestellt, was unserer Meinung nach ebenfalls ein wichtiger Faktor war.
Toshitaka Yoshino: Auch wenn man die späteren Verkäufe in andere europäische Länder betrachtet, ist die große Rolle der deutschsprachigen Länder für uns – auch im Vergleich zu Großbritannien – auffällig. Insofern war es vielleicht ein Glücksfall, dass die erste Person, die wir beim Aufbau unseres Europageschäfts trafen, aus dem deutschsprachigen Raum kam.
J-BIG: Fand der Monchhichi-Boom zeitgleich mit Japan in den 1970er Jahren in Deutschland statt? Und wie hat sich der Verkauf danach entwickelt?
Toshitaka Yoshino: Monchhichi wurde in Deutschland in den späten 1970er Jahren bekannt, kurz nach seiner explosionsartigen Popularität in Japan. Zu dieser Zeit wurden die in Japan hergestellten Produkte nach Deutschland exportiert. Mitte der 1980er Jahre verkauften sie sich jedoch weder in Japan noch in Europa besonders gut. Daher wurde der Verkauf in allen Ländern der Welt mit Ausnahme eines kleinen Teils Frankreichs vorübergehend eingestellt. Anfang der 1990er Jahre kam es zu einer Wiederbelebung, an der Deutschland maßgeblich beteiligt war. Hermann Schneider, der ehemalige Geschäftsführer von Schleich, einem großen deutschen Spielzeughersteller, kam persönlich auf uns zu und schlug vor, Monchhichi wieder auf den Markt zu bringen. Da Herr Schneider eine sehr bekannte Persönlichkeit in der Spielzeugbranche war, beschlossen wir, den Verkauf in Deutschland mit ihm als Handelsvertreter wiederzubeleben. Auch der Vertrieb in Japan wurde entsprechend wieder aufgenommen.
J-BIG: Gab es nach dieser Wiederbelebung irgendwelche Veränderungen in der Gestaltung oder in der Entwicklung der Monchhichi?
Toshitaka Yoshino: Ja, es gab durchaus Veränderungen: Auch wenn wir ursprünglich schon eine große Produktvielfalt entwickelt hatten, haben wir seit dem Relaunch die Bandbreite der Monchhichi weiter erhöht. Allerdings hat sich das Verkaufskonzept vor und nach dem Relaunch etwas verändert. In den 70er und 80er Jahren verkauften wir das Monchhichi selbst und separat dazu Wechselkleidung und Möbel. Jetzt verkaufen wir keine Möbel oder Wechselkleidung mehr, sondern eine Vielzahl verschiedener Monchhichi, die bereits Kostüme tragen. Damit änderte sich das Konzept: was früher zum Spielen für Kinder gedacht war, ist heute eher zum Sammeln, auch für die erwachsene Generation.
J-BIG: Wie haben sich die Vertriebskanäle und Verkaufsansätze seither verändert?
Toshitaka Yoshino: Das betrifft nicht nur Deutschland, aber da sich das Vertriebssystem selbst seither stark verändert hat, haben sich die Vertriebswege und -methoden entsprechend gewandelt. Nach der Wiederaufnahme des Vertriebs begann Sekiguchi beispielsweise über Vertreter wie Kaufhäuser und Spielwarengroßhändler mit dem Einzelhandel direkt zu verhandeln. Heute hat sich das Vertriebsumfeld jedoch geändert, und wir entwickeln unsere Produkte für eine Vielzahl von Vertriebskanälen, die Monchhichi verkaufen.
J-BIG: Hatten Sie früher eine Niederlassung in Deutschland?
Toshitaka Yoshino: Wir haben nie ein Büro in Deutschland eröffnet oder Mitarbeiter eingestellt. Wir operieren jedoch mittlerweile über ein kleines Büro, das wir in den Niederlanden eingerichtet haben. Diese niederländische Niederlassung ist auch für den gesamten deutschen Markt zuständig. Und anders als in anderen europäischen Ländern, wo der Vertrieb oft einem einzigen Unternehmen anvertraut wurde, haben wir in Deutschland traditionell mit vielen Einzelhändlern direkt zu tun. Daher machen wir in Deutschland seit jeher mit einer Reihe von Unternehmen gleichzeitig Geschäfte.
J-BIG: Zur Größe von Sekiguchi: Wie viele Mitarbeiter haben Sie insgesamt und wie hoch ist Ihr Umsatz?
Toshitaka Yoshino: Heute haben wir einen Standort in Japan und den Niederlanden, mit 35 Mitarbeitern in Japan und zwei in den Niederlanden. In den 80er Jahren hatten wir auf der japanischen Seite ein paar mehr Mitarbeiter, aber umgekehrt hatten wir damals keine Mitarbeiter in Europa.
Yoshitaka Yoshino: Die Gesamtzahl der weltweit verkauften Produkte wird heute auf etwa 80 Millionen geschätzt, da die kumulierte Gesamtzahl aus einer Erhebung von 1974 bis vor fünf oder sechs Jahren etwa bei 70 Millionen Produkten lag. Die durchschnittliche Anzahl der in den letzten Jahren nach Deutschland gelieferten Produkte lag bei etwa 70.000 pro Jahr. Der Umsatz in Deutschland betrug im letzten Jahr ca. 30 Millionen Yen.
J-BIG: Wie ist die aktuelle Marktsituation?
Toshitaka Yoshino: Die wichtigsten Märkte sind heute Deutschland, Frankreich, die Niederlande und Japan. Deutschland ist also nicht das einzige Land, das heraussticht, denn man kann sagen, dass alle diese Länder große Märkte auf gleichem Niveau sind.
Yoshitaka Yoshino: Darüber hinaus gab es vor etwa zehn Jahren einen großen Boom in China, der zu einem starken Wachstum des chinesischen Marktes geführt hat. Seit der Wiederaufnahme des Verkaufs in den 1990er Jahren findet auch die Produktion in China statt – und das bis heute.
J-BIG: Sekiguchi ist ein Familienunternehmen und wird von Ihrer Familie geführt. Wie kam es dazu, dass Sie als Brüder gemeinsam das Unternehmen leiten?
Toshitaka Yoshino: Bevor ich Geschäftsführer wurde, hatte mein Onkel diese Position inne. Ich trat in das Unternehmen ein, um von meinem Onkel zu lernen, wie man ein Unternehmen führt. Und natürlich reizte mich auch der Spaß am Spielzeuggeschäft. Aber ich bin nicht von Anfang an mit der Absicht zu Sekiguchi gekommen, die Leitung des Unternehmens zu übernehmen, sondern wollte eigentlich mein eigenes Unternehmen gründen, nachdem ich von meinem Onkel etwas über Unternehmensführung gelernt hatte. Am Ende habe ich jedoch die Leitung übernommen.
Yoshitaka Yoshino: Unser Onkel, der ehemalige Geschäftsführer, hatte sechs Brüder, und ein jüngerer Brüder von ihm – also ein weiterer Onkel von uns – leitete damals eine Plüschtierfirma namens Sun Arrow. Sun Arrow ist dieselbe Firma, die auch heute noch Plüschtiere wie „Totoro“ herstellt. Ich habe etwa 10 Jahre für Sun Arrow gearbeitet, bevor ich zu Sekiguchi kam. In dieser Zeit passierte vieles, mein Bruder wurde Geschäftsführer von Sekiguchi und schließlich verließ ich Sun Arrow und begann bei Sekiguchi zu arbeiten.
Toshitaka Yoshino: Der Gründer von Sekiguchi war übrigens unser Urgroßvater, der einen Familienkodex begründete, der seit Generationen in unserer Familie weitergegeben wird: „Ein Spielwarengeschäft darf nie zu groß werden, sonst geht es zugrunde“. Auch heute noch halten wir uns an dieses Gesetz und vergrößern das Unternehmen nicht unnötig, sondern führen es mit dem Ziel einer langfristigen Unternehmensführung.
J-BIG: Das Monchhichi feiert in diesem Jahr seine 50-jährige Existenz. Gibt es anlässlich dieses Jubiläums Kampagnen oder neue Projekte?
Toshitaka Yoshino: Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums haben wir in Japan ein neues Unternehmen gegründet, die Monchhichi Ltd. Und das Besondere daran ist, dass Monchhichi selbst der CEO dieser Firma ist. Das heißt, das große Ziel dieser neuen Firma ist es, der Figur Monchhichi noch mehr Eigenständigkeit zu geben und damit die regionale Wiederbelebung in Japan zu unterstützen. Außerdem feiert die sowohl in Deutschland als auch in Japan bekannte Anime-Serie „Heidi“ in diesem Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass haben wir eine Heidi-Kooperation mit einem Heidi-assoziierten Unternehmen geschlossen und ein Produkt namens „Heidi Monchhichi“ auf den Markt gebracht. Darüber hinaus haben wir bereits Schritte eingeleitet, um Monchhichi z.B. für die Gestaltung von Schreibwaren verwenden zu lassen. Wir haben jedoch das Gefühl, dass wir den Charme und das Potenzial der eigentlich dreidimensionalen Figur Monchhichi, die immer noch stark als Plüschtier wahrgenommen wird, nicht ausreichend vermittelt haben. Daher möchten wir die Figur Monchhichi in Zukunft stärker als Marke etablieren, um ihren Wert zu steigern und darüber hinaus mit Monchhichi als IP (Intellectual Property) einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten.
J-BIG: Haben Sie ein Beispiel für die Verwendung von Monchhichi als IP?
Toshitaka Yoshino: Wir haben zum Beispiel eine CG-Serie von Monchhichi in Frankreich produziert. Das hat sich zwar nicht direkt in Produktverkäufen niedergeschlagen, aber als Animation kam sie sehr gut an und wurde in vielen Ländern ausgestrahlt.
J-BIG: Abschließend: Was sind Ihre Visionen für die Zukunft?
Toshitaka Yoshino: Wir haben vor allem zwei Ziele für die Zukunft: Das erste ist, den Firmenwert von Sekiguchi weiter zu steigern und gleichzeitig einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Das Fundament dafür sind die Werte, die uns als Sekiguchi auszeichnen und die wir weiterhin als Team verfolgen wollen. Zweitens müssen wir sicherstellen, dass das Unternehmen an die nächste Generation weitergegeben wird. Sowohl in Deutschland als auch in Japan gibt es viele Unternehmen mit einer langen Geschichte und es ist eine große Ehre und Herausforderung dafür zu sorgen, dass diese Unternehmen an die nächste Generation übergeben werden. Deshalb ist es für uns ein großes Ziel, neben der Steigerung des Markenwertes von Sekiguchi, das, was seit 105 Jahren geleistet wird, noch lange in die Zukunft fortzuführen. Es ist nicht unsere Vision, das Unternehmen auf einen Schlag zu vergrößern, indem wir zum Beispiel riesige Summen investieren, nur um dann festzustellen, dass das Unternehmen nicht mehr lebensfähig ist und Teil eines großen Konzerns wird. Wir wollen unser Unternehmen und seine einzigartige Marke langfristig schützen und weiterentwickeln und dabei der Familientradition folgen, nicht übertrieben zu expandieren.