Ende der 1990er Jahre startete Rakuten seine Unternehmensreise in Japan. In den letzten 25 Jahren ist ein digitaler Plattform-Gigant entstanden, der mit beinahe 30.000 Mitarbeitern global aktiv ist. Mit Toshihiko Otsuka, dem CEO von Rakuten Europe, haben wir über die fast 500 Jahre alte Inspirationsquelle für Rakuten, das weltweite Geschäft mit multiplen Plattformen, die Europa- und Deutschlandexpansion und die kommunikativen Herausforderungen des Unternehmens in Deutschland und Europa gesprochen.
J-BIG: Was muss man über Rakuten wissen?
Toshihiko Otsuka: Rakuten ist in Japan eine recht einzigartige japanische Firma. Wir kommen nicht aus der klassischen Produktion von Gütern, sondern sind eher eine Online-Service-Firma. Als Online-Firma haben wir aber keinen monothematischen Ansatz, sondern sind eher ein Konglomerat von Ansätzen und Services. Bei uns gibt es Angebote im E-Commerce, Fintech-Bereich, im Streaming-Umfeld, bei E-Books, aber auch im Sport. Das alles versuchen wir in einem übergreifenden Ökosystem miteinander zu integrieren – verbunden durch unser Loyalty-Programm „Rakuten Points“. Unser Ziel ist es, dass Kunden Mitglieder dieses Ökosystems werden und es breit nutzen. Wir schaffen immer wieder neue Angebote für die Mitglieder und pflegen die Kundenbeziehungen langfristig. Das ist die grundsätzliche Idee.
J-BIG: Wie hat es mit Rakuten einmal angefangen?
Toshihiko Otsuka: 1997 sind wir als E-Commerce-Unternehmen mit einem Online-Shopping-Mall-Ansatz namens Rakuten Ichiban an den Start gegangen. Im Jahr 2000 gingen wir dann an die Börse in der sogenannten „New Economy“-Phase, kurz bevor die „Internet-Blase“ platze. Mit dem Geld aus dem Börsengang haben wir angefangen uns zu Diversifizieren. Das Thema „Internet-Reisebüro“ war für uns eines der ersten. Wir kauften eine Firma aus der Hitachi-Gruppe, die dann später zu Rakuten Travel wurde. Zwischen Reisebüros und Online-Einkaufsplattformen gab es aus unserer Sicht gewisse Ähnlichkeiten. Wir haben darüber hinaus eine Golfsport-Plattform namens Gora gekauft, die heute Rakuten Gora heißt. Wir haben also Schritt für Schritt eine digitale Welt rund um unseren Shopping-Marktplatz Rakuten Ichiban gebaut. Etwa im Jahr 2002 haben wir dann erstmals eine etwas andere Firma gekauft, die im Online-Security-Bereich aktiv war und zu Rakuten Securities wurde. Und dann kamen noch Fintech-Ansätze dazu – und wir kauften schließlich eine Online-Bank, bei der ich damals arbeitete, und gaben ihr den neuen Brand Rakuten Bank. Wir haben also immer weitere Portfolio-Firmen gekauft und ausgebaut – heute bietet die Unternehmensgruppe über 72 verschiedene Services für End- und Unternehmenskunden.
J-BIG: War es denn von Anfang an der Plan, dieses Ökosystem zu bauen?
Toshihiko Otsuka: Es ist eher organisch entstanden. Wir hatten schon die Idee eines Ökosystems, aber wir wussten nicht von Anfang an, wie es genau aussehen und funktionieren würde. Wir haben aber durchaus auch Fehler gemacht, wie etwa den Kauf eines Fernsehsenders.
J-BIG: Was ist denn die größere Idee hinter dem Ökosystem?
Toshihiko Otsuka: Die größere Idee ist, etwas für die Gesellschaft zu machen. Lassen Sie mich etwas in der Geschichte zurückgehen. Es gab im 16. Jahrhundert einen berühmten japanischen Feldherren namens Oda Nobunaga, der in einer bestimmten historischen Epoche beinahe das ganze Land dominierte. Er hatte ein Schloss und baute rund um dieses Schloss einen freien Marktplatz auf. Dieser freie Marktplatz und die dahinterliegenden Liberalisierungen nannten sich Rakuichi Rakuza – das bedeutet übertragen so viel wie „freier Markt“. Viele Menschen aus ganz Japan brachten ihre Waren zu diesem Markt. Oda Nobunaga nahm einen gewissen Anteil an Steuern für die Transaktionen, die dort stattfanden, um seine Armee aufzubauen. Unser Gründer Hiroshi Mikitani war von dieser sehr alten Idee sehr inspiriert. Und so entstand der Name Rakuten, der von dieser Handelsliberalisierung namens Rakuichi Rakuzu abgeleitet wurde. Oda Nobunaga hat aber noch mehr getan – so trat er als Sponsor beispielsweise von Teezeremonien auf und unterstützte einen der Gründer der Teezeremonie – und verbreitete so den Geist der besonderen japanischen Gastfreundschaft, Omotenashi – eine Inspiration auch für uns. Denn wir halten Omotenashi für einen der schönsten Aspekte japanischer Kultur. Und diesen wollen wir in die Welt tragen.
„Rakuten wollte immer eher sein wie die Ameyoko Shopping Straße im Tokyoter Stadtteil Ueno. Das ist ein wirklicher Marktplatz, auf dem sich Händler und Käufer tummeln. Es wird gerufen, es ist ein bisschen chaotisch, aber man hat Spaß beim Kaufen. Oft weiß man vorher gar nicht so genau, was man will. Aber dann findet man etwas, das einen spontan anspricht. Es gibt viel Inspiration. Unser Prinzip ist es, Einkaufen als Entertainment zu betrachten.“
J-BIG: Sie wollten also eigentlich eine globalisierte und digitalisierte Version etwas sehr alten und traditionellen bauen, mit allen philosophischen Gedanken, die dahinter standen?
Toshihiko Otsuka: Ja, genau. Unser Ansatz war von Anfang an anders als der von beispielsweise Amazon. Bei den großen E-Commerce-Konkurrenzanbietern ist es meistens so, dass sie wie ein Produktautomat sind. Man drückt einen Knopf und bekommt sofort das Produkt. Rakuten wollte immer eher sein wie die Ameyoko Shopping Straße im Tokyoter Stadtteil Ueno. Das ist ein wirklicher Marktplatz, auf dem sich Händler und Käufer tummeln. Es wird gerufen, es ist ein bisschen chaotisch, aber man hat Spaß beim Kaufen. Oft weiß man vorher gar nicht so genau, was man will. Aber dann findet man etwas, das einen spontan anspricht. Es gibt viel Inspiration. Unser Prinzip ist es, Einkaufen als Entertainment zu betrachten. Das ist etwas ganz anderes als ein Produktautomat. In Japan ist ein Großteil der Kunden von Rakuten Ichiban weiblich – sie halten sich lange auf den Seiten auf und haben Spaß am Stöbern und Vergleichen. Das männliche Publikum bevorzugt eher die Effizienz beim Einkauf. Bei Rakuten geht es um die Experience. Das ist unser Kern. Darauf bauen auch unsere Erfolgsprinzipien, die Rakuten Shugi, auf, die sehr japanisch sind, aber in einer Online-Welt-Version. Diese versuchen wir in die tägliche Arbeit zu integrieren.
J-BIG: Können Sie konkrete Beispiele geben, wie Sie Ihre Prinzipien in die tägliche Arbeit integrieren?
Toshihiko Otsuka: Wir haben zum Beispiel ein wöchentliches Morgenmeeting, unser Asakai, das von 8 bis 9 Uhr stattfindet. An diesem Meeting nehmen alle Mitarbeiter in Japan teil – in einem sehr großen Raum, die globalen Mitarbeiter schalten sich virtuell zu. In der einen Stunde gibt es zuerst jede Woche eine 5 bis 10-minütige Ansprache unseres Gründers Hiroshi Mikitani. In dieser erklärt er jedes Mal an konkreten Beispielen, wie sich unsere Firmenprinzipien auf das tägliche Arbeiten auswirken. Er erzählt von seinen eigenen Erlebnissen und verbindet diese mit den Rakuten Shugi. Diese Konkretisierung hilft den Mitarbeitern sehr dabei, die abstrakten Prinzipien anwenden zu können. Rakuten ist also eigentlich eine sehr philosophische Firma. Wir sind nicht nur hinter dem Geld her. Unsere Mission ist uns noch wichtiger.
J-BIG: Kommen wir zurück zum Rakuten-Ökosystem – wie hat sich dieses in Japan und der Welt entwickelt?
Toshihiko Otsuka: In Japan haben wir über die Zeit 100 Millionen Mitglieder bekommen, was bedeutet, dass ein Großteil der Japaner Rakuten-Mitglied ist. Leider geht diese Zahl leicht zurück, was auch bedeutet: in Japan ist für uns eigentlich kein oder wenig Wachstum möglich. Wir haben den Markt ausgereizt und können eigentlich nur noch wachsen, indem wir unseren Kunden mehrere Services des Ökosystems verkaufen. Inzwischen nutzen auch 76 Prozent unserer japanischen Mitglieder mehr als zwei unserer Angebote. Unser Fokus sind unterschiedliche digitale Services – die durch unser Punkteprogramm „Rakuten Points“ verbunden sind. Wer bei einem Service Punkte sammelt, kann sie bei allen anderen Services einsetzen. Wir haben in den frühen 2000ern damit angefangen dieses System weltweit auszurollen, heute hat dieses Ökosystem über 1,6 Milliarden Mitglieder.
J-BIG: Das Rakuten Point System ist in Japan sehr bekannt. Wie funktioniert es genau?
Toshihiko Otsuka: Die erste Idee, die wir 2002 hatten, waren Coupons. Das klappte aber nicht so gut. Deshalb haben wir das Punkte-System gestartet. Für bestimmte Transaktionen bekommt man dabei Punkte, die man dann als eine Art virtuelle Währung einsetzen kann. Das funktionierte im japanischen Markt extrem gut – wir sind ein wenig durch Versuch und Irrtum auf den Ansatz gekommen. Wir haben das System dann so ausgebaut, dass Nutzer, die mehrere Services verwenden, mehr Punkte für bestimmte Transaktionen bekommen als diejenigen, die weniger Services nutzen. Am Ende zahlt sich das für uns natürlich trotzdem aus.
J-BIG: Wie wurde dieser Ansatz in Japan so bekannt? Von außen betrachtet wirkt das Ganze nicht so besonders. Mit Payback oder ähnlichen Ansätzen scheint es Vergleichbares auch bei uns in Deutschland zu geben…
Toshihiko Otsuka: Es gab natürlich auch in Japan vorher schon Kundenprogramme. Aber im Online-Bereich war das neu. Die Punkte sind auch anders als Rabatte oder Bundles. Aber in einem Ökosystem, das einem Marktplatz nachempfunden ist, ist es schön extra Bargeld in Form von Punkten zu haben, mit denen man recht beliebig spielen kann. Es ist eher ein Gamification-Ansatz, bei dem es auch ums Spaßhaben geht. Aber das ist natürlich nicht der richtige Ansatz für alle Menschen – manche hätten auch einfach gerne Geld zurück oder einen Rabatt.
J-BIG: Wie ließen sich die sehr japanische Idee und das Modell denn auf den internationalen Markt übertragen?
Toshihiko Otsuka: Das ist ein wichtiger Punkt. Es ist schwierig! In den USA hat der Ansatz mit Rakuten Points zum Beispiel gar nicht gut funktioniert – hier haben wir inzwischen einen Cashback-Ansatz. Amerikaner mögen Cash. Sie wollen Effizienz. Europa ist irgendwie eine Mischung. Und deshalb haben wir hier auch ein hybrides Modell. Wer zum Beispiel etwas von Rakuten Deutschland kauft, kann sich aussuchen, ob er Cash oder Points haben möchte. Wenn man Rakuten Points wählt, bekommt man 20 Prozent mehr, als wenn man unbedingt Bargeld möchte.
J-BIG: Wie und wann hat es mit dem internationalen Geschäft überhaupt angefangen?
Toshihiko Otsuka: Es fing im Jahr 2005 an, als wir das amerikanische Unternehmen LinkShare übernommen haben – eine Affiliate Marketing Plattform. Heute heißt dieser Bereich Rakuten Advertising – und ist immer noch führend im Digital-Marketing-Bereich. Der Kauf war allerdings eine recht isolierte Aktivität. Richtig ging es um 2010 los, als wir in Europa tätig geworden sind und einige E-Commerce-Firmen gekauft haben – darunter Play.com in Großbritannien, PriceMinister in Frankreich – und auch eine kleine Firma namens Tradoria in Deutschland im Jahr 2011.
Als ich selbst 2009 zu Rakuten kam, wurde ich einmal Samstags zu Hiroshi Mikitani eingeladen. Er hat öfters am Wochenende ausgewählte Leute zusammengebracht und über Bücher gesprochen, die er gelesen hatte. Eines der Themen war „Globalisierung“. Wir diskutierten, wie wir das schaffen könnten. Und dann kamen wir auf die Idee, dass wir künftig Englisch als Firmensprache einführen sollten. Und zwar auch für Meetings und Gespräche, die nur unter Japanern stattfinden. Das klingt natürlich erstmal etwas seltsam, aber die Idee war, sich mit der fremden Sprache auseinander zu setzen. Denn bekanntermaßen sprechen viele Japaner schlechtes Englisch. Also setzten wir hohe Ziele, wie etwa das Erreichen einer bestimmten Punktzahl bei englischen Sprachtests. Das Ganze war verknüpft mit der Gehaltsentwicklung der Mitarbeiter – wer den Test nicht schaffte, wurde eher herabgestuft. Ich war mir nicht sicher, ob wir das wirklich schaffen würden, aber unser Gründer war sehr ambitioniert und wir ließen uns anstecken. Rakuten hat alle Trainings finanziert und auch zugelassen, dass manche Mitarbeiter fast Vollzeit Englisch gelernt haben, anstatt normal zu arbeiten. Aber aus unserer Sicht war das absolut notwendig, weil viele japanische Firmen bei der Globalisierung an Sprache und Kultur gescheitert sind. Das wollten wir besser machen. Und so wurden wir eine Englisch sprechende japanische Firma. Viele japanische Großfirmen dachten, dass wir das nie umsetzen würden. Aber wir haben es hinbekommen – und 95 Prozent der Mitarbeiter haben ihren Test geschafft. Das hat uns selbst überrascht. Es gab sogar Mitarbeiter über 50, die noch nie etwas mit Englisch zu tun hatten, die die Aufgabe gemeistert haben. Der Fall hat viel Aufsehen erregt in der internationalen Business-Welt. Inzwischen sprechen wir bei Rakuten auf der ganzen Welt Englisch. Damit haben wir also unsere Internationalisierung begonnen.
„Wir mussten unseren Weg mehrmals ändern. Aber wir sind immer unserer Mission gefolgt.“
Als wir fit in der englischen Sprache waren, begannen wir weltweit Firmen zu kaufen. Nicht alles hat funktioniert. Wir mussten unseren Weg mehrmals ändern. Aber wir sind immer unserer Mission gefolgt. So wurden wir auch in Europa Schritt für Schritt besser. Eine Besonderheit ist, dass wir im europäischen Markt eine Banklizenz haben. Damit können wir einiges anfangen bei unseren nächsten Schritten. Unser aktuelles Portfolio hier ist anders als in Japan. Dort ist Rakuten Ichiban unsere primäre Plattform, die viel Traffic produziert. Unser europäisches Geschäft besteht dagegen zum Beispiel aus Rakuten France für das E-Commerce-Geschäft in Frankreich, Rakuten TV als Videostreaming-Service in 43 europäischen Ländern, die Bank – und jetzt bringen wir auch das neue Mobilfunk-Technologie-Plattform auf den Markt. Unsere Erfahrungen aus dem Geschäft mit Rakuten Mobile bringen wir als Plattform-Anbieter auf den europäischen Kontinent. Unsere deutsche Kooperation mit 1&1 ist dabei ein großer Meilenstein. An diesem Projekt arbeiten wir sehr hart, um 1&1 mit unserer Erfahrung zu einem führenden Mobilfunk-Netzwerk-Betreiber zu machen. Das ist jedoch keine isolierte Aktivität. Denn 1&1 möchte natürlich, dass neue Kunden auch bleiben. Dazu benötigen sie ein funktionierendes Ökosystem. Dabei wird natürlich auch unser existierendes Ökosystem zum Einsatz kommen.
J-BIG: Lassen Sie uns nochmal ins Detail der Entwicklung des Deutschlandgeschäfts gehen. Wie hat sich dieses von Anfang an entwickelt?
Toshihiko Otsuka: 2011 haben wir das bayerische E-Commerce-Unternehmen Tradoria gekauft. 2012 benannten wir die Firma in Rakuten Deutschland um. Wir haben das Loyalty-Programm und Rakuten ID eingeführt; als Single-Sign-On-Mechanismus. Rakuten TV, Rakuten Advertising, der E-Reader Kobo und der Messaging-Service Viber, den wir gekauft hatten, kamen später ebenfalls nach Deutschland. Wir haben am Anfang nicht alles in „Rakuten XYZ“ unbenannt, aber als wir 2017 mit dem Sponsoring des FC Barcelona angefangen haben, haben wir alle Services in Rakuten umbenannt, weil die Brand-Awareness massiv durch das Sponsoring gestiegen ist.
J-BIG: Es gibt aber hierzulande weiterhin Rakuten Services, die nicht „Rakuten XYZ“ heißen, zum Beispiel der andere E-Reader: Tolino.
Toshihiko Otsuka: Ja, wobei Tolino eher ein Konsortium ist. Wir sind vor allem für die Bereitstellung der Technologie zuständig und nicht 100 Prozent für alles verantwortlich. Das ist aber tatsächlich eine Ausnahme.
J-BIG: Der Brand ist also deutlich bekannter geworden. Was ist jetzt zu tun?
Toshihiko Otsuka: Den Namen kennen inzwischen viele Endkunden. Aber was immer noch nicht allen klar ist: was Rakuten alles anbietet. Das ist unsere nächste Aufgabe.
J-BIG: Wie würden Sie Rakuten heute dem deutschen Endkunden beschreiben?
Toshihiko Otsuka: Rakuten ist ein Brand, der das Leben unterhaltsamer macht. Das müssen die Kunden verstehen. Ich bin noch nicht hundertprozentig mit dem zufrieden, was wir den Europäern anbieten, aber daran arbeiten wir zur Zeit. Generell ist es wichtig zu verstehen, dass Rakuten eine der wenigen japanischen Endkunden-Marken ist, die auf verschiedenen Feldern spielen. Ja, Nintendo ist bekannt, aber sie sind eine reine Gaming-Firma. UNIQLO ist eine weitere Firma, die bekannter wird, aber sie sind ein reiner Retailer. Das Gleiche gilt vielleicht für MUJI. Aber bei uns geht es um sehr viele Businesses – nicht 70 wie in Japan, aber doch etwa 10. Das kommunikativ unter einen Hut zu bringen ist nicht leicht. Deshalb müssen wir Schritt für Schritt bei der Kommunikation vorgehen. Der nächste Schritt wird sein, die Japan-Fans an uns zu binden, Manga- und Anime-Interessierte oder Gamer zum Beispiel. Deshalb sind wir beispielsweise 2022 eine Partnerschaft mit der Japan Expo in Paris eingegangen. Und auch beim Japan-Tag in Düsseldorf werden in Zukunft sicherlich mitmachen – wir wissen allerdings noch nicht ganz genau wann. Düsseldorf wird aber auf jeden Fall wichtiger, dort haben wir jetzt auch ein großes Office.
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J-BIG: Rakuten ist also eine Firma mit multiplen Geschäftsfeldern. Wie sieht es bei den reinen Zahlen aus: wieviele Menschen arbeiten in welchen Ländern für das Unternehmen? Welchen Umsatz macht Rakuten heutzutage?
Toshihiko Otsuka: Wir beschäftigen aktuell 31.000 Mitarbeiter in 30 Ländern, davon 6.000 Entwickler aus 70 Ländern. Unser globales Transaktionsvolumen ist 232 Milliarden US-Dollar, unser konsolidierter globaler Umsatz beträgt 12,8 Milliarden US-Dollar. Und wir wachsen jährlich zweistellig. Wir haben derzeit 1,6 Milliarden Mitglieder weltweit.
J-BIG: Wie sieht es in Deutschland aus?
Toshihiko Otsuka: Unser größtes Office ist mittlerweile Düsseldorf, obwohl wir dort erst angefangen haben. Dann haben wir unser Office in Berlin und eines in Darmstadt, wo die Kobo- und Tolino-Mitarbeiter sitzen. An den drei Standorten arbeiten insgesamt etwa 300 Mitarbeiter. Auf der Umsatzseite sind wir im Europa im mittleren einstelligen Prozentbereich des Gesamtumsatzes. Auch in Europa wachsen wir zweistellig. Deutschland und Frankreich sind dabei die größten Märkte und auch unser Fokus. Auch Großbritannien und Spanien sind wichtig für uns.
J-BIG: Erzählen Sie uns noch ein wenig über die Aktivitäten mit 1&1, da dieses Projekt gerade ein großer Treiber des deutschen Geschäfts ist.
Toshihiko Otsuka: In Japan hatten wir ursprünglich wir den Service Rakuten Mobile, einen virtuellen Mobilfunkanbieter. Wir haben dann Bandbreite für 4G und 5G zugewiesen bekommen – denn das Ministerium wollte neben NTT, Softbank oder KDDI noch weitere Konkurrenten in den Markt bringen. Also haben wir uns dazu entschlossen in den Markt einzusteigen, denn derzeit passiert einfach viel auf der technologischen Ebene. Das Ganze war keine leichte Sache, aber inzwischen decken wir 95 Prozent der Fläche von Japan mit tausenden von eigenen Mobilfunk-Basisstationen ab. Um das umzusetzen, haben wir sehr viel Know-how aufgebaut, um die Infrastruktur bauen – sowohl in der Hard- als auch in der Software. Und unsere Stärke liegt vor allem in der Software, mit der wir es geschafft haben, deutlich weniger in die Hardware investieren zu müssen – und auch Veränderungen laufen quasi nur über die Software. Das hat die Betriebskosten für das Netzwerk massiv gesenkt – um fast 40 Prozent. Mit diesen Erkenntnissen aus Japan haben wir ein großes Know-how aufgebaut. Dieses hilft dabei, mit 1&1 einen ähnlichen Ansatz in Deutschland umzusetzen. Es kamen 2022 viele Experten aus Japan nach Deutschland, um an dem Projekt zu arbeiten. Das hat auch dazu geführt, dass ich täglich Visums-Anträge ausgefüllt habe (lacht). In der Kooperation sind wir also nicht nur ein Berater, sondern setzen den Aufbau der Infrastruktur tatsächlich um. Hier gibt es also eine echte japanisch-deutsche Kooperation.
J-BIG: Wie ist abseits dieses Projekts die Kooperation mit dem japanischen Headquarter bei Rakuten?
Toshihiko Otsuka: Rakuten Points, Rakuten ID und andere Ansätze wie Payment sind globale Ansätze von Rakuten. Diese werden überall lokal implementiert. Auf der anderen Seite betreiben wir weiterhin die lokalen Plattformen, die wir über die Jahre gekauft und in Rakuten integriert haben. Auf der organisatorischen Ebene ist Kooperation zwischen Japan und Europa absolut notwendig. Unsere „Englisch“-Strategie hat dabei extrem geholfen. Kommunikation, zumindest auf der Sprachebene, ist bei uns tatsächlich exzellent. Das ist eine echte Stärke, die wir vielen japanischen Firmen voraushaben.
J-BIG: Wo geht es in der Zukunft hin mit Rakuten?
Toshihiko Otsuka: Wir werden weiter daran arbeiten, das Leben unserer Kunden unterhaltsamer zu machen. Dafür gehen wir einen Schritt nach dem anderen. Und das Ganze soll auch nachhaltig funktionieren – auf der geschäftlichen, aber auch auf der gesellschaftlichen Ebene. Natürlich befassen wir uns auch mit Fragen wie einer besseren Energieeffizienz für das Gesamtunternehmen. Wie wir grüner werden können, das ist eine unserer großen Herausforderungen und Aufgaben.