Peter Hoenisch hat viele innovative Produkte von Sony im Westdeutschland der 1970er und 80er bekannt gemacht. In dieser Zeit konnte er als Mitglied der Geschäftsleitung mit Verantwortung für die Kommunikation von Sony Deutschland ikonische Produkte wie den Walkman in den Markt einführen – wertvoll waren dabei sein guter Draht zur Presse sowie seine kreativen Ideen. J-BIG sprach mit Peter Hoenisch darüber, wie der japanische Konzern auf ihn aufmerksam wurde, welche Herausforderungen und Erfolge er in seiner Zeit bei Sony erlebt hat und wie die Zusammenarbeit mit der Zentrale in Japan war. Außerdem verrät er, was die Arbeit bei Sony für ihn so einzigartig gemacht hat.
J-BIG: Wie begann die Geschichte zwischen Ihnen und Sony in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts?
Peter Hoenisch: Nach dem Studium der Volkswirtschaft war ich durch Zufall in den Kommunikationsbereich gerutscht. Nach schlechten Erfahrungen in einer Frankfurter Agentur habe ich mich mit einer klassischen PR-Agentur in Bonn selbstständig gemacht. 1975 rief mich aus heiterem Himmel der Werbeleiter von Sony Deutschland aus Köln an und fragte, ob ich eine Pressekonferenz für Akio Morita, den Mitgründer und Präsidenten der Sony Corporation, auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin, damals noch die Höhle des Löwen in der Unterhaltungselektronik, organisieren könnte. Wir hatten an sich nur Stammkunden; ich nahm den Auftrag dennoch an, denn ein japanischer Kunde schien mir spannend.
Ich bekam einen Termin bei Jack Schmuckli, dem damaligen Deutschland-Chef der Firma, der den Sony-Gründern Ibuka und Morita sehr nahestand und als erster Nichtjapaner im Unternehmen eine bedeutende Rolle im Konzern spielte. Sony war zwar nicht mehr ganz unbekannt, es war aber ungewiss, ob eine Pressekonferenz von Morita auf der Weltmesse der Elektronik in Berlin Interesse finden würde. Ich formulierte also über Nacht einen Vorschlag und warf ihn morgens um fünf bei Sony in Köln in den Briefkasten. Schon um 9 Uhr rief mich Schmuckli an und sagte: „Congratulations, you get the job.“ Mein Gedanke war, Morita bekannt zu machen, und das, so dachte ich, geht am besten mit einem „SPIEGEL-Gespräch“. Nach ein paar Telefonaten fand ich in der Wirtschaftsredaktion des SPIEGEL-Magazins Peter Bölke, der ebenfalls ein Interview mit einem japanischen Topmanager interessant fand und schließlich mit Morita sprach. Er wurde im Anschluss, wie viele andere, ein Sony- und Morita-Fan.
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J-BIG: In welcher Entwicklungsphase befand sich Sony in Deutschland, als Sie das Unternehmen kennen lernten?
Peter Hoenisch: Sony hatte bereits in den 60er Jahren eine erste Niederlassung in Kiel gegründet, die von einem Japaner geleitet wurde. Umsatz damals etwa 80 Millionen Deutsche Mark, vor allem mit HiFi-Geräten, Tonband-Geräten und Transistorradios. Die ersten 13-Zoll-Fernseher nach dem PAL-System kamen erst 1971 und normale große Fernsehgeräte mit PAL-Technik kamen dann 1975 nach dem Ende der PAL-Lizenz auf den Markt.
Sony hatte seinen Sitz bereits 1970 nach Köln verlegt und in Braunsfeld mit 23 Mitarbeitern begonnen. Obwohl sich damals viele japanische Firmen in Düsseldorf ansiedelten, hatte sich Sony bewusst für Köln entschieden. Die Sony-Gründer meinten, dass es für die Mitarbeiter – damals noch überwiegend Japaner – besser sei, wenn sie nicht in der japanischen Community lebten, sondern Deutsch lernten und Kontakt in der deutschen Gesellschaft hätten. Schmuckli kam dann 1975 als Geschäftsführer der Sony Deutschland GmbH. Zuvor war er Chef von Polaroid Far East gewesen und hatte somit bereits Erfahrung in der Arbeit mit Japanern. Morita hatte ihn privat kennen gelernt, hatte ihn auf privater Ebene für den schwierigen deutschen Markt ausgewählt, und daher bestand zu ihm ein tiefes Vertrauensverhältnis. Durch diese enge Zusammenarbeit entwickelte sich die deutsche Zentrale schnell und gut.
J-BIG: Was hat die Gründer von Sony ausgezeichnet?
Peter Hoenisch: Sony wurde 1946 von den Physikern Masaru Ibuka und Akio Morita in einem ausgebrannten Kaufhaus in Nihonbashi, einem Stadtteil Tokyos, gegründet. Zuerst produzierte die Firma einen automatischen Reiskocher, der sich jedoch nicht verkaufte. Beeinflusst durch die schweren Kriegsjahre wollten die beiden Gründer ein Produkt entwickeln, das den Menschen Freude macht und produzierten eine erste Tonbandmaschine. In den 50er Jahren wurde das Unternehmen bekannt und erfolgreich mit der Entwicklung der Transistortechnik und der Entwicklung kleiner Transistorradios. Sony war das erste Unternehmen, das die Transistortechnik für nichtmilitärische Zwecke verwendete. Beide Gründer waren hervorragende und visionäre Techniker und verstanden es zudem, mit Menschen umzugehen. Sie waren Genies mit einflussreichen Kontakten. Morita war unter vielen anderen mit Steve Jobs oder dem Dirigenten Herbert von Karajan befreundet. Der Technikchef Ibuka verfasste nebenher Bücher über Kindererziehung, etwa „Kindergarten is too late“.
J-BIG: Sie haben zunächst als Agenturinhaber für Sony gearbeitet. Wie ging es weiter?
Peter Hoenisch: Ich war von Anfang an Feuer und Flamme, und es war eine wirklich interessante Aufgabe, Sony in Deutschland bekannt zu machen. Nach dem positiven Ergebnis der Arbeit für Morita auf der Funkausstellung wurde Sony mein Lieblingskunde. Ich begann systematisch Kontakte zu den zuständigen Redakteuren der wichtigen Printmedien vor allem auch der Fachpresse und von ARD und ZDF aufzubauen. Durch die intensive Pressearbeit wurde Sony schnell bekannt. Ich hatte in der Agentur inzwischen einen sehr guten Partner; wir waren jedoch grundverschieden und unsere Arbeitsweisen passten nicht zusammen. Ich sprach darüber mit Schmuckli, mit dem ich inzwischen eng befreundet war, und der sagte eines Tages zu mir: „Verkauf doch Deinen Laden und komm zu mir“. Diesem Angebot habe ich schließlich zugestimmt unter der Bedingung, als Mitglied der Geschäftsleitung in die Firma einzutreten. Geld spielte bei der Entscheidung keine Rolle; ich verdiente weniger als zuvor in meiner Agentur. Am 1. Januar 1978 begann ich. Meine neue Position bei Sony bot mir durch die wöchentlichen Managementmeetings ganz andere Einblicke in das Leben der Firma, und ich merkte schnell, dass sich aus dieser Sicht ganz andere Möglichkeiten für die Kommunikation ergaben.
J-BIG: Was waren zu diesem Zeitpunkt typische Sony-Produkte?
Peter Hoenisch: Am wichtigsten war die Palette der HiFi-Geräte, Verstärker, Tuner, Kassettendecks, Plattenspieler, nach Einführung der CD die CD-Payer, und natürlich die Trinitron-Fernsehgeräte. Eine zweite Sparte waren die kleineren Geräte wie Weltempfänger, Walkman und Kassetten. Und von besonderer Bedeutung auch für das Image waren die professionellen Geräte für Industrie und Fernsehen. Trinitron war eine von Sony entwickelte Bildröhre mit einem deutlich helleren Bild als das aller anderen Fernsehgeräte, was dazu führte, dass die deutsche Bundeswehr ihre Fernseher bei einem japanischen Unternehmen kaufte. Das Argument war, dass man die Bilder auch bei Tageslicht sehen konnte.
J-BIG: Wie haben Sie nach Ihrem Einstieg bei Sony durch Ihre Kommunikationsarbeit die Vermarktung der Produkte unterstützt.
Peter Hoenisch: Ich fühlte mich, wenn Probleme auftauchten, immer mitverantwortlich und suchte nach Lösungen.
Ein Beispiel: Unsere „Office-Products“, Diktiergeräte, zugehörige Kassetten usw., verkauften sich nicht gut. Ich bot an, mich um den Verkauf dieser Produkte zu kümmern und war im gleichen Moment Vertriebsdirektor dieser Sparte. Ich besuchte die wichtigsten Händler und bekam als Mitglied der Geschäftsleitung immer Termine mit den Chefs. Ich bat auf meine persönliche Art jeweils, sich doch mal unserer Produkte anzunehmen. Und ich hatte zum Erstaunen meiner Kollegen Erfolg. Auf die Frage, wie ich das machen würde, sagte ich, dass ich es nicht erklären könnte.
Ich habe mit dem Einverständnis von Schmuckli sehr intensiv mit dem Sponsoring im Bereich der Kultur begonnen. Wir waren Förderer der Videokunst, die in den 70er Jahren immer mehr an Bedeutung gewann. Wir haben mit einem sehr schlauen Konzept die Documenta unterstützt. Die Geräte im Millionenwert, die wir zur Verfügung gestellt hatten, wurden nach Ende der Ausstellung mit Hilfe der Documenta an Museen, Kunstvereine und Galerien zum Sonderpreis angeboten, was dazu führte, dass in Kunstinstitutionen überhaupt nur noch unsere Produkte verwendet wurden. Wir unterstützten die Kölner Oper und das Bonner Schauspiel und arbeiteten wegen der Freundschaft Moritas mit Herbert von Karajan vielfach mit den Berliner Philharmonikern zusammen.
Ein zweiter Schwerpunkt war der Sport. Ich nahm Kontakt mit der Sporthochschule in Köln auf und bot Sponsoring von Sportarten über unsere Produkte an: Diktiergeräte für Trainer, Videokameras für Trainingsbeobachtung. Wir unterstützen die Hockeynationalmannschaft und die Rennrodler. Ein Video8-Team wurde über einen Spezialisten Vereinen zur Trainingsbeobachtung angeboten. Unsere Produkte waren sozusagen überall und das Budget war tatsächlich minimal.
In großem Stil wurde der Deutsche Handballbund gesponsert. Nach einer Anlaufphase entwickelten wir zur Weltmeisterschaft 1982 ein Projekt auf Gegenseitigkeit. Wir haben das gesamte Videomaterial der Fernsehsender von der Meisterschaft übernommen und haben daraus mit den Moderatoren von ARD in unserem Studio eine Serie von 12 Trainingskassetten entwickelt. Diese haben wir dem Handballbund zur Verfügung gestellt, der die Kassetten national und international an Vereine verkaufen konnte. Dafür stand unser Name auf den Trikots.
Es klappte nicht immer alles, aber über Flops wurde nicht gejammert oder geschimpft. Schmuckli war sehr offen für Ideen, die immer in der Geschäftsleitung diskutiert wurden.
J-BIG: Gab es Produkte, die nicht erfolgreich waren?
Peter Hoenisch: Ja, es gab „Elcaset“, eine große Kassette mit einem Magnetband in Tonbandbreite, die hervorragend war, aber sich nicht durchsetzte. Und auch die Minidisc hatte keinen Erfolg; sie kam zu schnell nach der CD. Zu unserem Hauptsorgenkind entwickelte sich aber unser Videosystem Betamax. Sony hatte als erster den Videorekorder nach diesem System mit einer taschenbuchgroßen Kassette auf den Markt gebracht. Etwas später kam JVC, eine Tochter von Panasonic mit dem VHS-System. Die Kassette war deutlich größer und die Qualität erklärtermaßen schwächer. Sony vergab Betamax-Lizenzen nur an Firmen, die auch Betamax-Geräte produzierte, z.B. an die Firmentochter Aiwa. JVC vergab Lizenzen an Jedermann. Das führte dazu, dass es mehr VHS-Rekorder gab. Da die Rekorder mehr zum Abspielen von Filmen benutzt wurden, kauften die Konsumenten die Filme häufiger im VHS-Format. Dadurch geriet Betamax mehr und mehr ins Hintertreffen mit vielen Konsequenzen. Für mich war das eine Niederlage, über die ich wütend war.
J-BIG: Dann kam der Walkman. Wann sind Sie zum ersten Mal mit diesem Gerät in Berührung gekommen?
Peter Hoenisch: 1982 zeigte mir Jack Schmuckli den ersten Walkman, ein Gerät, mit dem man Musik hören konnte, ohne die Umwelt zu belästigen. Die Idee zum Walkman stammte von Akio Morita selbst. Weil Schmuckli skeptisch war, bestellten wir in Tokyo nur 5000 Stück, und das auch nur Morita zuliebe. Ich habe das Gerät bei einem Redaktionsbesuch der damals wichtigsten deutschen Jugendzeitschrift „Bravo“ vorgestellt, die begeistert war und es auf einer Doppelseite vorgestellt hat. Das war ein großer Erfolg, und die Geräte gingen weg wie warme Semmeln. Die Produktion kam nicht nach, jeder wollte einen Walkman haben. Das führte dazu, dass Konkurrenten ähnliche Produkte herstellten. Es begann ein juristischer Kleinkrieg gegen jeden, der sein Produkt auch Walkman nannte. Aus meiner Sicht ist der Walkman kein Produkt, für das wir Ruhm verdienen. Der Walkman war eine geniale Idee, nicht mehr. Er hat sich gut verkauft. Aber die Technik war simpel und jeder konnte das Gerät nachbauen. Für mich war Sony eine Company of Engineers; ich habe mich nur gefreut über die Kreativität und herausragende Technik in unseren Produkten. Der Walkman ist aus heutiger Sicht vor allem interessant, weil er die Keimzelle für den Komplex des „Personal HiFi“ wurde. Ohne den Walkman hätte es später keinen iPod gegeben und keine Musik auf dem Smartphone.
J-BIG: Sony wird oft die Entwicklung der CD zugeschrieben. Wie erinnern Sie sich an diese Entwicklung?
Peter Hoenisch: Sony hat die digitale Tonaufzeichnung und die CD zusammen mit Philips entwickelt. Philips war an der Entwicklung zwar stärker beteiligt, wir aber hatten die besseren Kontakte zur Presse und hatten Herbert von Karajan als Promoter. Karajan war, wenn er in Japan konzertierte, immer Gast im Hause Morita. Und dort hörte er zum ersten Mal eine digitale Aufzeichnung, und zwar die Wiedergabe eines Chores aus der Oper „Nabucco“ von Giuseppe Verdi mit einem gewaltigen Dynamiksprung. Karajan war begeistert und meinte: „Das ist die Zukunft, alles andere ist gaslight“. Durch meine guten Kontakte zur Presse wurde Sony in der Berichterstattung über die CD und ihre Vorteile wesentlich mehr erwähnt als Philips, so dass bis heute der Eindruck besteht, Sony hätte die CD entwickelt. Das ist ein gutes Beispiel dafür, welchen Einfluss Medien auf die öffentliche Wahrnehmung haben.
J-BIG: Wo lagen konkret die Unterschiede zwischen Sony und anderen Unternehmen der Unterhaltungselektronik?
Peter Hoenisch: Wir waren technisch der Konkurrenz oft einen Schritt voraus. Und wir hatten ganz sicher die bessere PR, auch durch unser intensives Sponsoring in Kultur und Sport. Das gab zum Beispiel auch unserem Außendienst oft die Möglichkeit, Verkaufsgespräche elegant zu eröffnen. Damals gab es noch deutsche Produzenten in der Unterhaltungselektronik wie Grundig, Saba, Nordmende oder Telefunken, aber sie waren keine wirklichen Rivalen. Auf der Funkausstellung in Berlin war unser Stand immer der interessanteste. Fast alles Neue und Zukunftsweisende kam von uns, oft in der so genannten Blackbox, z.B. auch der erste digitale Fotoapparat.
J-BIG: Wie war die Zusammenarbeit mit den japanischen Kollegen?
Peter Hoenisch: Das gute Verhältnis zur Zentrale in Tokyo war nicht zuletzt Jack Schmuckli zu verdanken, der eine enge Beziehung zu den Gründern hatte. Dadurch hatte Sony Deutschland viele Freiheiten. Schmuckli schrieb jeden Monat einen kurzen Monatsbericht für Akio Morita. Mehr war nicht nötig. Und es gab einen sehr freundschaftlichen Austausch zwischen den deutschen und den japanischen Technikern.
Da Schmuckli gut Japanisch sprach, konnte er in Vorstandssitzungen, wenn sich die japanischen Kollegen untereinander austauschten, alles verstehen. 1986, nach elf Jahren, wurde Schmuckli Präsident von Sony Europa und Ron Sommer, der später Telekomchef wurde, war sein Nachfolger. Auch mit ihm habe ich sehr gut zusammengearbeitet.
Ich bin selbst oft in Japan gewesen, meist mit Journalisten. Sony war Journalisten gegenüber sehr offen und machte alle Bereiche der Entwicklung zugänglich. Das machte vor allem bei der Fachpresse einen sehr positiven Eindruck.
Ein besonderes Beispiel für den Firmengeist von Sony ist mir in Erinnerung: Bei der Besichtigung einer Fernseherfabrik fand ich in der Kantine ein „Schwarzes Brett“ mit einer Spalte für jede Abteilung. Für die Abteilung mit der wöchentlich besten Performance wurde eine Apfelsine, natürlich aus Papier, in die Spalte der Abteilung gepinnt. Die Abteilung, die ihre Spalte als erste voll hatte, war der Gewinner. Als ich fragte, was der Preis für den Gewinner wäre, wurde meine Frage gar nicht verstanden. Es ging nicht um Geld, sondern nur um die Ehre. Die Mitarbeiter fühlten sich als Teil der Familie und waren stolz einen Beitrag zu leisten. Zu dieser Atmosphäre hat Morita viel beigetragen. Er war seinen Mitarbeitern sehr nah und ging jeden Tag mit seinem Sony-Kittel in die Kantine.
J-BIG: Die 80er Jahre gelten als Höhepunkt der japanischen Wirtschaftsexpansion im 20. Jahrhundert. Wie war damals Ihr Eindruck von Japan?
Peter Hoenisch: Ich war 1976 zum ersten Mal auf Einladung von Sony und Toyota mit vier Journalisten in Japan. Toyota war damals auch Kunde meiner Agentur. Vor fast 50 Jahren war alles noch sehr viel fremder, ich war aber beeindruckt von den Städten, den technischen Innovationen und vor allem vom berühmten Shinkansen. Die Firmen betreuten uns perfekt, wir wohnten in den besten Hotels. Geschäftsreisende aus Deutschland waren damals noch etwas Besonderes. Als wir in Nagoya, dem Sitz von Toyota, im „Nagoya Castle Hotel“ ankamen, stand über dem Eingang auf einem großen Transparent für uns fünf Hanseln „Welcome to German Journalists“. Auch die Technik der Unternehmen beeindruckte uns. Wir besichtigten eine praktisch menschenleere Motorenfabrik und alle 45 Sekunden klingelte ein Glöckchen und ein Motor fiel vom Band. Und am Abend wurden wir von der Geschäftsleitung in eine Bar eingeladen und durften deutsche Lieder singen.
J-BIG: Warum haben Sie später bei Sony aufgehört?
Peter Hoenisch: Mein Abschied erfolgte elf Jahre nach meinem Einstieg und 13 Jahre nach dem Beginn meiner Arbeit für Sony. In diesen Jahren bin ich selbst durch meine intensive Arbeit bekannt geworden. Der berühmte Medienunternehmer Helmut Thoma hat mich eines Tages gefragt, zu welchen Bedingungen ich bereit wäre, zum Medienkonzern RTL zu wechseln. Der gesamte Aufsichtsrat, den ich noch aus meiner Agenturzeit kannte, hatte mich empfohlen. Da ich Sony nicht verlassen wollte, nannte ich als Bedingung: Doppeltes Gehalt. Eines Tages rief Thoma an und sagte, dass der Aufsichtsrat mit meiner Bedingung einverstanden wäre. Das damals enorme Gehalt von 350.000 Mark war zu verlockend, und ich sagte zu. Mein plötzlicher Entschluss zu wechseln, löste einige Konflikte aus. Mit Ron Sommer hatte ich zwischendurch eine heftige Auseinandersetzung. Aber da wir uns gut verstanden, löste sich der Streit, und ich wechselte im August 1988 zu RTL.
J-BIG: Was waren Ihrer Meinung die Erfolgsfaktoren von Sony in Deutschland vor 40 Jahren?
Peter Hoenisch: Die Basis waren die hochwertigen und innovativen Produkte aus Japan. Es machte Spaß, das Image von Sony aufzubauen und zu pflegen. Und unsere gesamte Kommunikationsarbeit war sehr intensiv. Hinzu kam, dass die Gründer Ibuka und Morita, obwohl sie eigentlich Techniker waren, sehr an Kultur interessiert waren. In der Sony-DNS war Kultur fest verankert, so dass wir mit unsere Kultur- und Sponsoringarbeit auf offene Ohren stießen.
Entscheidend war sicher der gute Kontakt innerhalb des Unternehmens und zur Zentrale in Tokyo. Die Unternehmenskultur hat uns geprägt. Wir haben uns immer als Sony-Familie gefühlt. Wir hatten ein gutes Betriebsklima in allen Bereichen und vertrauten uns auch in der Geschäftsleitung total. Es gab keine Intrigen.
J-BIG: Was war an der Unternehmenskultur so besonders?
Peter Hoenisch: Die Unternehmenskultur bei Sony zeichnete sich immer durch den familiären Zusammenhalt aus. „Sony-Family“ war kein leerer Begriff. Der Umgang miteinander war locker und freundschaftlich. Die Mitarbeiter hatten Vertrauen in das Management und umgekehrt. Und international war Englisch Unternehmenssprache. Der Erfolg basierte auf Leistung. Ibuka sagte mir einmal, man müsse Technikern Aufgaben geben, die unlösbar schienen. Nur so gäbe es Höchstleistungen. Ich persönlich war immer gefordert, meine Ideen selbst zu finanzieren. Ich holte mir Werbegeld von den Marketing-Kollegen, arbeitete viel mit Produkten und suchte mir gute Partner. Es galt immer der alte Spruch: Geld muss durch Ideen bzw. Kreativität ersetzt werden.
Später bei RTL wurden mir große Summen zur Umsetzung meiner Ideen bewilligt; Geld spielte keine Rolle mehr. Das machte es leicht, spannende Projekte zu entwickeln und zu realisieren. Aber bei Sony war es schöner; nie stand Geld im Vordergrund, immer die Idee, die Zielgruppe, der mögliche Erfolg. Schmuckli sagte mir später einmal, dass wir eigentlich hätten bezahlen müssen, für Sony arbeiten zu dürfen.