Nach dem Zweiten Weltkrieg benötigte Japan Technologie für den Wiederaufbau. Motiviert durch industriepolitische Maßnahmen siedelten sich in den 1950er Jahren die ersten Unternehmen in Düsseldorf an. Heute zählt die japanische Community in Düsseldorf rund 8.500 Köpfe und hat die Stadt nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell geprägt. Dr. Konstantin Plett hat in seiner Dissertation untersucht, wie die japanische Community in Düsseldorf entstand und wie sie sich in ihrer über 70-jährigen Geschichte entwickelte. J-BIG sprach mit ihm darüber, wie er bei seiner Forschung vorgegangen ist, welche Faktoren Düsseldorf als Wirtschaftsstandort attraktiv machten und wie die Stadt und die japanische Community interagierten.
J-BIG: Ihre Dissertation „Die Geschichte des japanischen Wirtschaftsstandortes Düsseldorf“ wurde vor Kurzem veröffentlicht. Was hat Sie dazu bewogen, dieses Thema für Ihre Doktorarbeit zu wählen?
Konstantin Plett: Ich habe Japanologie im Bachelor- und Masterstudium studiert und mich in dieser Zeit intensiv mit der japanischen Gesellschaft und sozialen Problemen in Japan beschäftigt. Außerdem bin ich in Düsseldorf geboren und hatte mich darum schon lange dafür interessiert, was es mit der japanischen Community in Düsseldorf eigentlich auf sich hat. Die Frage, warum so viele Japaner nach Düsseldorf gekommen sind, ist auf der Forschungsebene bis heute nicht konkret beantwortet worden. Deshalb gab es im Zusammenhang mit diesem Forschungsthema auch ein Stipendiatsangebot der Gerda Henkel Stiftung. Aus dem Zusammenspiel dieser verschiedenen Faktoren ergab sich dann das Thema.
J-BIG: Wie haben Sie sich dem Thema genähert?
Konstantin Plett: Meine Forschungsmethode stützte sich auf zwei Säulen: Die Archivrecherche und Zeitzeugeninterviews. Für Erstere habe ich zahlreiche Archive genutzt, darunter das Stadtarchiv Düsseldorf und Archivbestände japanischer Institutionen und Unternehmen. Ich habe in Düsseldorf angefangen und bin dann auch nach Japan geflogen, um zu sehen, welche Forschungen es auf japanischer Seite in den Archiven schon gibt. Meine Sprachkenntnisse aus dem Japanologiestudium ermöglichten mir den Zugang zu japanischsprachigen Quellen. Es war mir wichtig, das Thema von beiden Seiten zu beleuchten.
J-BIG: Wo konkret haben Sie in Deutschland und Japan nach Informationen gesucht?
Konstantin Plett: Viele japanische Unternehmen waren zunächst in Hamburg ansässig. Daher finden sich Dokumente über die Entstehungsgeschichte der japanischen Community zu einem Großteil in Hamburg und nicht, wie man vermuten könnte, in Düsseldorf. Im Düsseldorfer Stadtarchiv gibt es Informationen über den Wirtschaftsstandort mit Japanbezug, die bis in die 1960er Jahre zurückreichen. Der eigentliche Beginn der Bewegung nach Düsseldorf liegt jedoch in den 1950er Jahren. Um an Informationen über die erste Ansiedlung japanischer Unternehmen in Hamburg und der späteren Verlagerung nach Düsseldorf in den 1950er Jahren zu kommen, musste ich auf Unternehmensarchive in Deutschland und Japan sowie Chroniken japanischer Unternehmen zurückgreifen. Ein großer Teil der Archivrecherche bestand außerdem darin, Zeitungen nach Japan-Themen zu durchsuchen. Der Untersuchungszeitraum, den ich berücksichtig habe, erstreckt sich von den 1950er Jahren bis zur Jahrtausendwende, wenige Jahre nachdem die Wirtschaftsblase in Japan platzte.
Für die Zeitzeugeninterviews habe ich mit circa 30 Akteuren der Standortgeschichte gesprochen, darunter sowohl Expatriates japanischer Unternehmen, die in den 1970er oder 1980er Jahren eine Niederlassung in Düsseldorf aufgebaut haben, als auch lokale Initiatoren, die im Kontext der Wirtschaftsförderung schon früh Kontakte nach Japan unterhalten haben. Die Interviews wurden in deutscher und japanischer Sprache geführt. Letztendlich sind 25 der Interviews in die Arbeit eingeflossen. Das und die Archivrecherche ermöglichten es mir, die Geschichte der japanischen Community und des Wirtschaftsstandorts Düsseldorf zu rekonstruieren.
J-BIG: Wie lange dauerte diese Recherchephase?
Konstantin Plett: Offiziell startete das Projekt im Dezember 2018 und dank der Finanzierung durch die Gerda Henkel Stiftung konnte ich mich seither in Vollzeit auf das Projekt konzentrieren. Die ersten eineinhalb Jahre waren reine Forschung, im Sommer 2020 habe ich dann parallel mit dem Schreiben begonnen. Wirklich abgeschlossen war die Recherchephase dann Ende 2021. Vor allem die Auswertung der Materialien hat viel Zeit in Anspruch genommen.
J-BIG: Sie haben von einer Wanderbewegung von Hamburg nach Düsseldorf gesprochen. Warum kamen die japanischen Unternehmen ursprünglich nach Hamburg, und was hat sie bewogen, nach Düsseldorf umzusiedeln?
Konstantin Plett: Nach dem Zweiten Weltkrieg war Japan zerstört und brauchte Technologie für den Wiederaufbau. Durch industriepolitische Maßnahmen des Wirtschaftsministeriums MITI (Ministry of International Trade and Industry), heute METI (Ministry of Economy, Trade and Industry), wurde eine Planwirtschaft aufgebaut: Man stattete Unternehmen mit Kapital aus und gewährte ihnen Steuererleichterungen, damit sie Technologie im Ausland erwerben konnten. Japan war damals ein reiner Exporteur von Leichtindustrie, Textilien und Konsumgütern. Die Stahlindustrie hingegen war nach dem Krieg nicht so weit entwickelt wie beispielsweise in Deutschland. Stahl wurde jedoch benötigt, um andere Industriezweige zu modernisieren. Daher priorisierte die Regierung diesen Industriezweig und Unternehmen, die sich in diesem Bereich weiterentwickelten, wurden besonders gefördert. Unternehmen, die von den Besatzungsmächten zerstört worden waren, hatten wenig Eigenkapital und waren auf staatliche Subventionen angewiesen.
In Düsseldorf waren große Unternehmen der Montanindustrie angesiedelt. Schon vor dem 20. Jahrhundert war die Region um Düsseldorf das Stahlzentrum Deutschlands. Daher kamen Anfang der 1950er Jahre vor allem japanische Unternehmen mit einem starken Eisen- und Stahlgeschäft hierher. Unternehmen mit einem Fokus auf Textil siedelten sich zunächst in Hamburg an, denn dort waren viele deutsche Handelshäuser ansässig, die mit Leichtindustrieprodukten handelten. Der Hafen ermöglichte den Im- und Export von Konsumgütern.
Als es später in den 1950er und 1960er Jahren zu einem industriellen Strukturwandel kam und die Schwerindustrie gegenüber der Leichtindustrie weiter an Bedeutung gewann, entfaltete Düsseldorf für immer mehr Unternehmen eine zunehmend größere Sogwirkung. Viele verlagerten ihre Unternehmensstandorte nach Düsseldorf. Die Keimzelle des Wirtschaftsstandortes Düsseldorf war somit die deutsche Stahlindustrie in Verbindung mit der wirtschaftspolitischen Situation in Japan nach dem Krieg.
J-BIG: Hatten die japanischen Unternehmen damals schon die Absicht, Deutschland als Absatzmarkt zu gewinnen?
Konstantin Plett: Ziel der japanischen Unternehmen war es, Patente für Technologien zu kaufen, vor allem im Bereich der Stahlindustrie. Zum Beispiel wurden Patente für die Herstellung von Walzwerkpressen oder Eisenverarbeitungsmaschinen erworben. Japan war damals im Gegensatz zu Deutschland oder Amerika kein Global Player in der Stahlindustrie und so verkauften deutsche Unternehmen das Know-how und die Patente vergleichsweise günstig an japanische Unternehmen. Somit stand am Anfang die Technologieakquisition. Der Verkauf japanischer Produkte auf dem deutschen Markt kam später hinzu.
J-BIG: Lässt sich heute noch nachvollziehen, was das erste Handelshaus war, das sich in Düsseldorf niederließ?
Konstantin Plett: Nach meinen Recherchen waren das Tokyo Boeki, Fujishoji und Okura. Tokyo Boeki war das erste Unternehmen, das bereits 1950 erste Gespräche mit deutschen Stahlherstellern am Standort Düsseldorf führte. Bereits ein Jahr nach der Gründung des MITI 1949 kam das Unternehmen nach Deutschland, um Kontakte zu knüpfen. 1954 wurden die ersten Niederlassungen von Mitsubishi und Mitsui gegründet. Okura war ein Generalhandelshaus, das 1952 die erste Repräsentanz, also ein Ein-Mann-Büro, in Düsseldorf eröffnete, bevor im nächsten Schritt die Niederlassung gegründet wurde.
J-BIG: Gab es grundlegende Charakteristika, die japanische Unternehmen damals von deutschen unterschieden?
Konstantin Plett: In Japan fand nach Ende des Zweiten Weltkriegs eine generelle Umstrukturierung statt, da die amerikanischen Besatzungsmächte die Firmenkonglomerate zerschlagen hatten. Als Ersatzmechanismus zur Senkung von Transaktionskosten traten an deren Stelle die Keiretsu, wirtschaftliche Verbundgruppen japanischer Unternehmen. Aufgrund der Abhängigkeit der japanischen Unternehmen von Fremdkapital organisierten sich die Generalhandelshäuser und die Unternehmen um ihre Hausbanken herum. Unternehmen, die Fremdkapital von derselben Bank bezogen, bildeten eine Gruppe. Das heißt, alle Unternehmen, deren Hauptkapitalgeber die Mitsubishi Bank war, gehörten zum Mitsubishi Keiretsu. Die Keiretsu-Strukturen spielten eine wichtige Rolle; die Unternehmen der gleichen Gruppe unterhielten enge Geschäftsbeziehungen und waren im Kapitalbesitz verflochten.
Die japanischen Unternehmen brachten diese Industriestruktur weitgehend mit nach Deutschland. Die Generalhandelshäuser spielten innerhalb der Keiretsu eine bedeutende Rolle, denn die Hersteller von Produkten waren darauf angewiesen, dass diese ihre Waren ins Ausland brachten. Als sich die Generalhandelshäuser in Düsseldorf ansiedelten, expandierten deshalb auch die Produkthersteller ihrer Gruppe dorthin.
Man kann von einem Polyeffekt sprechen: Wenn sich viele Konzerne einer Gruppe an einem Standort ansiedeln, ziehen weitere nach – auch industrieübergreifend – und der Standort wird immer größer. Schließlich kamen in den 1970er Jahren auch die Banken dazu. Die Unternehmen in Düsseldorf waren fast ein Spiegelbild der Konzernstrukturen in Japan. Damals gab es sechs große Keiretsu in Japan: Mitsubishi, Mitsui, Fuyou, Daiichi Kangyo, Sanwa und Sumitomo. Alle hatten eine Niederlassung ihrer Generalhandelshäuser und Banken vor Ort.
J-BIG: In Zahlen ausgedrückt: Wie hat sich der Standort entwickelt?
Konstantin Plett: Die erste Volkszählung nachdem japanische Unternehmen begonnen hatten, sich in Düsseldorf anzusiedeln, fand 1961 statt. Die japanische Bevölkerung in Düsseldorf betrug 279 Personen. 1963 gab es in Düsseldorf zwölf japanische Generalhandelshäuser – in ganz Deutschland waren es vierzehn. Zu diesem Zeitpunkt war die Umsiedlung aus Hamburg weitgehend abgeschlossen. Durch die starke Verflechtung der japanischen Unternehmen innerhalb der Keiretsu siedelten sich immer mehr Unternehmen in Düsseldorf an; ihre Zahl – und die der japanischen Bevölkerung in der Stadt – wuchs stetig. Bereits 1965 lebten 800 Japaner in Düsseldorf. Diese Gemeinschaft schuf eine eigene Infrastruktur, etwa eine eigene japanische Schule für ihre Kinder, was wiederum weiteren Zuzug erleichterte. In der Folge stieg die Bevölkerungszahl sprunghaft an. 1970 war die japanische Bevölkerung in Düsseldorf und Hamburg gleich groß, fünf Jahre später lebten bereits deutlich mehr Japaner in Düsseldorf. Mitte der 1980er Jahre waren es hier circa 4.000 Japaner, in Hamburg dagegen nur noch 2.000.
J-BIG: Wie wurde die Infrastruktur ausgebaut?
Konstantin Plett: Ein wichtiger Faktor für die Entwicklung des Standortes waren Institutionen wie die JIHK (Japanische Industrie- und Handelskammer) und der Japanische Club, die Mitte der 1960er Jahre in Düsseldorf gegründet wurden. Der Japanische Club hatte bereits in den 1950er Jahren erste Treffen der japanischen Bevölkerung organisiert, wurde aber erst 1964 offiziell als Verein eingetragen. Er fungierte zugleich als räumliche und materielle Institution: Es gab eine japanische Kantine und es wurden Sachgüter aus Japan importiert. Die 1966 gegründete Japanische Industrie- und Handelskammer vertrat die Interessen japanischer Unternehmen und trug dazu bei, die Standortfaktoren noch attraktiver zu machen: Damals wurden japanische Unternehmen sowohl in Japan als auch in Deutschland besteuert, was viele Unternehmen davon abhielt, sich in Deutschland registrieren zu lassen und dort Geschäfte zu machen. Die JIHK setzte sich dafür ein, dass ein Abkommen zwischen Japan und der Bundesrepublik Deutschland geschlossen wurde.
Die klassischen Expatriates waren junge Arbeitnehmer mit einigen Jahren Berufserfahrung, es kamen also viele junge Familien nach Düsseldorf. Diese Familien blieben in der Regel drei bis fünf Jahre im Ausland, bevor sie nach Japan zurückkehrten. Die Rückkehr von Schulkindern aus dem Ausland wurde von der japanischen Gesellschaft als ein soziales Problem angesehen, da die Kinder durch den Schulbesuch im Ausland den Anschluss verloren hatten. Der Anstoß zur Gründung einer japanischen Schule kam aus der Expat-Community in Düsseldorf. Der Wunsch nach einer japanischen Ganztagsschule wurde 1971 verwirklicht und die Japanische Schule Düsseldorf war die erste japanische Schule in Europa, auch in den USA gab es keine solche Einrichtung. Die Sogwirkung war enorm: Viele Familien entschieden sich bewusst für den Standort Düsseldorf, weil sie ihre Kinder auf eine japanische Schule schicken konnten. Auch Unternehmen siedelten sich vermehrt an, da die Bereitschaft von Expatriates, ins Ausland zu gehen, stieg.
J-BIG: Heute ist die Immermannstraße, bekannt als „Little Tokyo“, das Zentrum der japanischen Community in Düsseldorf. Wo ließen sich die Unternehmen ursprünglich nieder?
Konstantin Plett: Von Anfang an lagen die Niederlassungen zentral in der Innenstadt. Aber nicht nur in der Immermannstraße, sondern auch in der Königsallee, der Berliner Allee und der Schadowstraße. Allerdings waren das am Anfang noch keine großen Niederlassungen, viele Repräsentanzen hatten nur wenige Mitarbeiter. Man wollte am Puls des Geschehens sein, also in der Innenstadt. Mit dem Wachstum der Unternehmen bildeten sich jedoch neue Bedürfnisse, was zur Standortverlagerung führte. Heute findet man in der Immermannstraße hauptsächlich noch japanische Restaurants und vereinzelt kleinere japanische Unternehmen. Ab den 1970er Jahren gab es viel mehr Direktinvestitionen aus Japan, wodurch große Niederlassungen gebaut werden konnten. Dafür suchte man sich häufig einen Standort mit einer Vielzahl an Gewerbeflächen: Ratingen, Willich und kleinere Standorte drumherum. Diese Gewerbeflächen waren unter anderem aufgrund der niedrigeren Gewerbesteuer attraktiver. Das Areal wird oft als „Großraum Düsseldorf“ zusammengefasst, aber wenn man sich die Verteilung genau ansieht, geht das Gebiet über die Stadt Düsseldorf hinaus. Man kann auf der Mikroebene durchaus von einer Abwanderung in die umliegenden Städte sprechen, die sich über die Jahre vollzogen hat, weil sich die Bedürfnisse der Unternehmen geändert haben.
J-BIG: Wann hat die deutsche Seite die wachsende japanische Community wahrgenommen und auf sie reagiert?
Konstantin Plett: Das Interesse der Stadt an Standortförderung zeigte sich schon früh in den 1960er Jahren. Düsseldorf suchte ein Alleinstellungsmerkmal zur Standortförderung, das die Internationalität der Stadt zum Ausdruck bringen sollte – und fand die japanische Community. Bereits in den 1950er Jahren hatte man versucht, Düsseldorf als Standort für Indien zu vermarkten. Mitte der 1960er Jahre wurde die Stadt dann auf den Ausbau der japanischen Infrastruktur aufmerksam und versuchte, dies als Alleinstellungsmerkmal der Stadt zu bewerben. So entstand die Idee, zur weiteren Förderung der Infrastruktur ein deutsch-japanisches Zentrum zu errichten. Realisiert wurde dieser Vorschlag mit dem Nikko Hotel, dem heutigen Clayton Hotel, in der Immermannstraße, dessen Gebäudekomplex auch als Deutsch-Japanisches Center fungierte. Die erste Idee für das Deutsch-Japanische Center kam 1963 von der Stadt Düsseldorf, damals noch unter dem Namen „Japan-Haus“. Der ursprüngliche Gedanke war, ein Gebäude zu errichten, in dem alle japanischen Institutionen und Unternehmen untergebracht werden sollten, um ein klares Zentrum zu schaffen und so den Standort in Japan noch besser vermarkten zu können. Diese Idee stieß jedoch auch auf viel Kritik, da in den 1960er Jahren auf wirtschaftlicher Ebene noch Misstrauen gegenüber japanischen Unternehmen herrschte. Schließlich wurde das Zentrum erst 1978 fertiggestellt, 15 Jahre nach dem ersten Entwurf. Zu Beginn waren auch die JIHK, das japanische Generalkonsulat, und die Bank of Tokyo in dem Gebäude untergebracht.
Ein weiteres Beispiel für die Initiative der Stadt Düsseldorf ist die „Japan-Woche“, deren ursprüngliche Idee vom damaligen Wirtschaftsförderungsamt stammt. Themenwochen wie die „Britische Woche“ oder die „Schweizer Woche“ veranstaltete die Stadt Düsseldorf schon früh in den 1950er Jahren, um den internationalen Aspekt der Stadt hervorzuheben. In der Konkurrenzstadt Hamburg fand bereits 1964 die erste Japan-Woche statt. In Düsseldorf kam die Idee erstmals 1966 auf, aber die Stadt Düsseldorf und die japanische Seite konnten sich lange nicht einigen, wer die Kosten tragen sollte. Nach vielen Gesprächen näherten sich beide Seiten an und entwickelten Verständnis füreinander. Schließlich einigte man sich auf eine hälftige Kostenübernahme und so fand 1983 die erste Japan-Woche statt, inklusive Feuerwerk. Die Veranstaltung war ein großer Erfolg. Der Name änderte sich im Laufe der Jahre: Ab 1993 gab es die Japan-Wochen und ab 2002 den Japan-Tag, der von da an jährlich stattfand.
Auch erkannte die Stadt früh die Bedeutung und das wirtschaftliche Potenzial der japanischen Schule und erließ dieser den Erbbauzins für das Grundstück. Dadurch konnte sich die Schule finanziell besser aufstellen.
J-BIG: Sie haben erwähnt, dass nach dem Einkauf von Patenten auch der Export japanischer Produkte nach Deutschland begann. Wann war das und was wurde damals verkauft?
Konstantin Plett: In den 1960er Jahren wurden Stahl, Eisen und Maschinen verkauft, darunter kleine Maschinen wie Kugellager, aber auch Industriemaschinen. In den 1970er und 1980er Jahren nahm der Export noch einmal stark zu und weitete sich auf die Elektronikindustrie aus. Während in Hamburg eher die Unterhaltungselektronik vertreten war, lag der Schwerpunkt in Düsseldorf auf B2B-Komponenten wie Halbleitern und Autoteilen. Da immer mehr exportiert und immer weniger importiert wurde, kam zunehmend Kritik an den japanischen Unternehmen auf und es drohten Handelsbeschränkungen, um deren Export zu begrenzen. Die Japaner haben sich daraufhin gedacht: „Okay, wenn wir nicht mehr so viel exportieren dürfen, dann investieren wir in Niederlassungen in Deutschland und vertreiben unsere Produkte direkt vor Ort.“
1984 fand in Tokyo die „Leistungsschau der deutschen Industrie“ statt. Die Industriemesse gab vor allem Wirtschaftsführern der deutschen Großindustrie, aber auch mittelständischen Firmen, die Chance, in Japan Präsenz zu zeigen. Bei der Durchführung wurde auch mit dem MITI und der JETRO (Japan External Trade Organization) zusammengearbeitet und man war sich einig, dass es nicht sinnvoll sei, den Markt zu reglementieren. Stattdessen wurde das Ziel definiert, einen Dialog zwischen den Unternehmen zu schaffen. Daraus entstand der Deutsch-Japanische Wirtschaftskreis (DJW) in Düsseldorf. Die JETRO selbst war zunächst darauf ausgerichtet, japanischen Unternehmen bei der Technologieakquisition zu helfen. Später kamen Marktkenntnisse für den Export hinzu, und nach und nach entwickelte sie sich zu einer Organisation, die japanische Unternehmen dabei unterstützt, Produkte aus dem Ausland nach Japan zu bringen.
J-BIG: Nach der Hochkonjunktur der 1980er traf die japanische Wirtschaft mit dem Platzen der Börsenblase Anfang der 1990er eine schwere Rezession. Spürte man die Auswirkungen auch in Düsseldorf?
Konstantin Plett: Während der Hochkonjunktur in den 1980er Jahren wuchs die japanische Gemeinschaft in Düsseldorf noch einmal deutlich. Das lag auch am Plaza-Abkommen, das eine Abwertung des US-Dollars gegenüber dem Yen und der D-Mark durch kontrollierte Einflussnahme auf die internationalen Währungsmärkte vorsah. Dies hatte zur Folge, dass der japanische Yen teurer wurde und japanische Unternehmen noch stärker ins Ausland investierten. In Folge stiegen die Direktinvestitionen an und der Standort wurde deutlich größer.
Damals gab es etwa 300 japanische Unternehmen in Düsseldorf. Heute, Jahrzehnte nach dem Platzen der Blase, sind es etwa 400. Es kam zwar nicht zu einem Einbruch, aber durch die nachlassende Investitionsbereitschaft japanischer Unternehmen stagnierte das Wachstum des Standortes. Es wurden weniger Expatriates entsandt und mehr lokales Personal eingestellt. Durch die wirtschaftliche Stagnation gingen einige Banken bankrott oder mussten fusionieren. Japanische Unternehmen mussten sich dem ausländischen Kapitalmarkt öffnen. Durch diese Umstrukturierungen wurden die Keiretsu-Strukturen aufgebrochen. Mit dem Wegfall dieser Strukturen ging auch ein wichtiger Pull-Faktor für Düsseldorf verloren.
J-BIG: Wann war der Höchststand der japanischen Bevölkerung in Düsseldorf?
Konstantin Plett: Ein erster Höhepunkt wurde 1992 mit rund 6.000 japanischen Einwohnern erreicht. Danach ging die Bevölkerungszahl zurück und lag viele Jahre um die 4.000. Erst 2014 konnte Düsseldorf wieder die 6.000er Marke erreichen und ist seither nochmals gewachsen – heute sprechen wir von etwa 8.500 Japanern in Düsseldorf. Inzwischen ist die japanische Bevölkerung auch wesentlich vielfältiger geworden. Früher bildeten Dienstleister in der Infrastruktur und Expatriates den Kern der japanischen Bevölkerung. Heute kommen viele junge Japaner zum Arbeiten, immer öfter bleiben sie dauerhaft in Deutschland und gründen hier Familien. Außerdem ist die Zahl japanischer Studierender und Künstler in Düsseldorf gestiegen. 1992 hatte die japanische Schule 1.000 Schüler. Diese Zahl konnte bisher nicht mehr erreicht werden, da die Nachfrage nach dem japanischen Bildungssystem nicht mehr so groß ist. Viele japanische Kinder gehen inzwischen auf deutsche Schulen.
J-BIG: Wie spiegelte sich der Wohlstand der Bubble-Jahre in den Investitionen japanischer Unternehmen in Deutschland wider?
Konstantin Plett: Ein Beispiel ist der Golfplatz Kosaido, der in den 1980er Jahren mit japanischen Investitionen gebaut wurde. Golf spielt in Japan immer noch eine wichtige Rolle bei der Pflege von Geschäftsbeziehungen. Darüber hinaus ist das eher teure Hobby ein Ausdruck von Reichtum. Für japanische Unternehmer war es ein echtes Highlight, einen eigenen japanischen Golfplatz zu haben. Solche Investitionen sind Ausdruck des Wohlstands während der Bubble-Jahre.
J-BIG: Wie lässt sich die Entwicklung der letzten dreißig Jahre nach dem Ende der Bubble-Economy beschreiben?
Konstantin Plett: In den letzten dreißig Jahren hat sich der Wettbewerb um japanische Unternehmen verschärft und einige sind in andere Städte abgewandert. So ist Düsseldorf als Unternehmensstandort seit der Jahrtausendwende kein Einzelfall mehr. Für bestimmte Branchen haben sich andere Standorte wie München, Frankfurt und teilweise Berlin etabliert. Frankfurt gewann zum Beispiel mit der Restrukturierung der japanischen Banken nach der Krise der 1990er Jahre an Bedeutung. Hamburg spielt dagegen heute nur noch eine untergeordnete Rolle.
Da zudem weniger Expatriates und mehr lokales Personal eingestellt wurden, achteten Unternehmen bei der Standortwahl zunehmend weniger auf die japanische Infrastruktur. Sie bewerteten aus rein unternehmerischer Sicht, welcher Standort für das Unternehmen am attraktivsten ist. Man kann sagen: Früher standen weiche Standortfaktoren im Vordergrund, heute sind es eher die harten Faktoren. Aus diesem Grund stagnierte der Standort über die Jahre deutlich, auch wenn sich die reine Anzahl der Unternehmen seit Anfang der 1990er Jahre kaum verändert hat. Das infrastrukturelle Alleinstellungsmerkmal Düsseldorfs zeigt sich heute deutlich stärker auf der kulturellen Ebene. Rund um die Immermannstraße hat sich eine Art eigene Kultur entwickelt und Düsseldorf ist generell für ostasiatische Kulturen sehr bekannt geworden. Auch für junge Japaner, die ins Ausland gehen, ist Düsseldorf attraktiv. Diese kulturelle Ebene hat auch die Entwicklung neuer Wirtschaftszweige im Umfeld von Gastronomie oder Popkultur ermöglicht. Die Entwicklung geht also immer weiter – Düsseldorf wird auch weiterhin für die deutsch-japanischen Beziehungen eine wichtige Rolle spielen.