Der japanische Spielzeughersteller EPOCH ist mit Marken wie Sylvanian Families und Aquabeads in vielen Kinderzimmern präsent und kooperiert mit bekannten japanischen Marken wie Nintendo. Viele der Unternehmensprodukte sind zeitlose Evergreens, die sich bereits seit über 30 Jahren am Markt halten. Dabei agiert EPOCH mit einer sehr nachhaltigen Strategie: erst wenn eine Marke gut etabliert ist, kommt die nächste Produktlinie auf den Markt. J-BIG hat mit Deutschland-Geschäftsführer Willi Schiffner von der EPOCH Traumwiesen GmbH über Geschichte, Herausforderungen und Philosophie des Unternehmens gesprochen.
J-BIG: Wie hat es mit EPOCH angefangen?
Willi Schiffner: EPOCH gibt es schon seit 64 Jahren; ein stattliches Alter für eine Spielwarenfirma. Das Unternehmen wurde 1958 vom Vater des jetzigen CEOs, Taketora Maeda, in Tokyo gegründet. Das erste Produkt war ein Baseballspiel – und das war so erfolgreich, unter anderem weil Baseball in Japan sehr populär ist, dass weitere Actionspiele für Kinder folgten.
J-BIG: Was sind die Produkte, die EPOCH heute prägen?
Willi Schiffner: In Japan sind wir zum Beispiel der größte Puzzle-Produzent und bei Brettspielen Marktführer, ähnlich wie Ravensburger hierzulande. Wir haben fast 30 Prozent Marktanteil in diesem Segment. Wir entwickeln einerseits komplett eigene Produkte, haben aber auch viele starke Lizenzen im Portfolio, beispielsweise Spiele zu „Demon Slayer“. Unser Produktportfolio außerhalb Japans, also in Deutschland, Europa und den USA, baut derzeit auf drei Pfeilern auf: Sylvanian Families, Aquabeads und „Super Mario“-Gesellschaftsspiele in Lizenz-Kooperation mit Nintendo. Im Gegensatz zu anderen Spielwarenfirmen, die vielleicht fünf Marken pro Jahr neu auf den Markt bringen, ist es bei uns so, dass wir uns zwei, drei Jahre Zeit lassen, bevor wir eine weitere Marke launchen. In Deutschland sind wir jetzt im elften Jahr und haben die dritte Marke am Start. Erst als unsere Kernmarke Sylvanian Families gut im Markt angekommen war, haben wir angefangen, die nächste Marke zu implementieren.
„Anfang der 80er haben wir tatsächlich einen ersten Ausflug in die Videospiel-Branche gemacht.“
J-BIG: Hat EPOCH schon immer haptisches Spielzeug hergestellt? Anscheinend gab es auch mal eine Videospielekonsole …
Willi Schiffner: Anfang der 80er haben wir tatsächlich einen ersten Ausflug in die Videospiel-Branche gemacht. Später, Anfang der 90er, gab es ein Handheld-Spiel, das hieß „Barcode Battler“, mit dem man Barcodes scannen und Punkte sammeln konnte. Aber es gab verschiedene Anbieter, mit denen wir in diesen Zeiten konkurriert haben und unser Fokus war nicht stark genug. 1991 kam dann auch unsere erste Kooperation mit Nintendo für die Verwendung der Super-Mario-Charaktere zustande – und wir blieben dann doch lieber bei analogem Spielzeug.
J-BIG: Entstand die Zusammenarbeit mit Nintendo auch dadurch, dass EPOCH eine Zeit lang im Videospielbereich aktiv war?
Willi Schiffner: Eher kommt die Verbindung daher, dass beide Firmen ursprünglich japanische Spielzeughersteller waren und sind, nur dass die eine Firma sich komplett in den Videospiele-Bereich entwickelt hat und die andere eher im klassischen Spielebereich geblieben ist. Und ich weiß, dass es persönliche Verbindungen gibt zwischen den beiden Familien Yamauchi, der Unternehmerfamilie hinter Nintendo, und Maeda. Wir vermarkten jetzt seit 30 Jahren die Nintendo-Lizenz-Produkte schwerpunktmäßig in Japan und seit ungefähr zwei Jahren auch international.
J-BIG: Zurück zur Firmengeschichte von EPOCH. Wir waren in den 80er und 90er Jahren stehen geblieben …
Willi Schiffner: Ja, also unsere Videospielausflüge waren nicht so erfolgreich wie die anderer Firmen. 1985 war dann das Game-Changer-Jahr für EPOCH. Da haben wir Sylvanian Families entwickelt und das Produkt war ein Riesenerfolg. Das ist interessanterweise auch das Jahr, in dem Super Mario herauskam. Wir können also zusammen mit Super Mario Geburtstag feiern – da haben wir noch etwas mit Nintendo gemeinsam.
J-BIG: Erzählen Sie uns mehr zu Sylvanian Families.
Willi Schiffner: Sylvanian Families sind Tiercharaktere, die sich menschlich verhalten. Kinder spielen mit ihnen ihr Leben nach: Die Tierpuppen gehen in die Schule, sie haben Kinderzimmer, Küche und Bad und es gibt Zubehör wie Möbelsets. Mittlerweile gibt es ein sehr großes Produktportfolio und mehrere Dutzend Familien. Es ist im Prinzip das moderne Puppenhaus, das wir in den 1980ern entwickelt haben. Wir haben mit dem Produkt in Großbritannien dreimal in Folge den „UK Toy of the Year“ Preis gewonnen – das hatte vorher noch keine Spielwarenfirma geschafft.
J-BIG: Und wie ging es dann weiter?
Willi Schiffner: Wir konnten weitere Marken etablieren, zum Beispiel das Produkt Aquabeads. Das sind Perlen, die sich mithilfe von Wasser zu Bildern und Figuren zusammenfügen lassen. Aquabeads haben wir 2004 entwickelt und mittlerweile gibt es sie in mehr als 40 Ländern. Weltweite Vermarktbarkeit ist einer unserer Ansprüche.
J-BIG: Wann kam EPOCH nach Deutschland?
Willi Schiffner: Während der Verkauf der Sylvanian Families in Frankreich oder Großbritannien über Distributeure bereits sehr gut lief, waren wir auf dem deutschen Markt diesbezüglich eher unterrepräsentiert. 2011 haben wir dann mit zwei, drei Personen die EPOCH Traumwiesen GmbH in Nürnberg gegründet. Die ersten drei Jahre haben wir uns auf Sylvanian Families konzentriert, dann kamen 2015 die Aquabeads dazu – und dann haben wir 2020 international angefangen, die Super Mario Games zu distribuieren, in Deutschland etwas später, 2021. Mittlerweile sind wir tatsächlich bereits in unser drittes Büro gezogen, weil die früheren Standorte immer wieder zu klein wurden.
Kostenfrei abonnieren
„J-BIG – Japan Business in Germany“ ist das E-Mail-Magazin rund um die Aktivitäten japanischer Unternehmen im deutschen Markt.
Registrieren Sie sich kostenfrei
J-BIG: EPOCH Traumwiesen GmbH, woher kommt dieser Name?
Willi Schiffner: Jede EPOCH-Niederlassung hat einen anderen Namen. Dadurch kann man die Niederlassungen besser unterscheiden, ein bisschen wie mit Vornamen und Nachnamen. Also heißen wir nicht EPOCH Germany, EPOCH France, EPOCH Italy, sondern beispielsweise in Frankreich EPOCH d’Enfance und in Italien EPOCH di Fantasia. Unser erster deutscher Geschäftsführer hat damals den Auftrag bekommen, sich einen Namen auszudenken. Wenn die Geschichte so stimmt, dann hatten seine Eltern ein Grundstück, das sie immer „die Traumwiese“ genannt haben und er hat den Namen fürs Business übernommen.
J-BIG: Wie kommt es, dass Sie in Nürnberg sitzen – die Stadt ist nicht als klassischer Standort japanischer Firmen – wie Düsseldorf, Hamburg oder München – bekannt?
Willi Schiffner: Unser erster Geschäftsführer kam aus Nürnberg und Nürnberg ist außerdem eines der Spielwarenzentren in Deutschland. Es gibt hier eine große Spielwarenmesse und sehr viele Firmen, die jetzt schon seit 50 oder mehr Jahren in Nürnberg und Umgebung sitzen, beispielsweise Playmobil oder die Simba Dickie Group.
J-BIG: Können Sie uns ein paar Daten und Fakten zu EPOCH als Firma geben?
Willi Schiffner: EPOCH hat weltweit etwa 3000 Mitarbeiter. Im japanischen Headquarter sind es etwa 300, in Europa ungefähr 200. Wir haben zehn Auslandsniederlassungen – die erste haben wir 2008 in den USA eröffnet. Wir haben eigene Fabriken in China und Laos, wo auch die Textilien für unsere Produkte hergestellt werden. In Europa hat EPOCH Traumwiesen tatsächlich in Deutschland und Österreich angefangen – dann erfolgte die Expansion nach Skandinavien und zuletzt nach Polen als Start für Osteuropa. Die EPOCH Traumwiesen GmbH hat letztes Jahr einen zweistelligen Millionenumsatz erzielt.
J-BIG: Wie vertreiben Sie Ihre Produkte?
Willi Schiffner: Unsere drei größten Händler sind in der DACH-Region Amazon, Müller und Smyths. Letztere haben vor ein paar Jahren Toys „R“ Us übernommen. Corona hat dann zuletzt wie ein Beschleuniger gewirkt, was das E-Commerce-Geschäft angeht. Das, was wir eigentlich für die nächsten fünf Jahre prognostiziert hatten, ist jetzt in den letzten zwei eingetreten. Der E-Commerce-Anteil in der gesamten Spieleindustrie liegt mittlerweile deutlich über 50 Prozent, während der Fachhandel sich zunehmend schwertut.
J-BIG: Hatten Sie neben der Veränderung der Vertriebswege besondere Corona-Effekte?
Willi Schiffner: Ein Trend, der enorm zugenommen hat, war der ganze Bereich „Arts and Craft“. Dementsprechend hatten wir bei Aquabeads unheimliche Zuwächse, im dreistelligen prozentualen Zuwachsbereich über mehrere Wochen. Ich denke, das hatte damit zu tun, dass die Kinder zuhause waren und die Eltern im Homeoffice arbeiteten, während gleichzeitig die Kinder beschäftigt werden mussten. Das heißt jeder hat irgendwo ein Puzzle oder ein Spiel gekauft oder unsere Wasserperlen, um dann einfach zu sagen: okay, die Kinder sind jetzt mal 15, 20, 30, vielleicht auch 60 Minuten beschäftigt. Da sind wirklich unerwartet hohe Umsätze generiert worden.
„Es gibt eine animierte Serie der Sylvanian Families mit kurzen Episoden, die man auf Amazon Prime Video und außerhalb von Deutschland auch auf Netflix sehen kann. Seit 2018 produziert EPOCH jährlich eine Staffel.“
J-BIG: Gibt es von Charakteren wie den Sylvanian Families eigentlich auch noch andere Produkte als die Spielzeuge? So wie Nintendo die Mario-Charaktere an Sie lizensiert, könnten Sie das ja auch machen.
Willi Schiffner: Nein, nicht direkt. Aber wir selbst steigen sukzessive in den Medienbereich ein. Es gibt eine animierte Serie der Sylvanian Families mit kurzen Episoden, die man auf Amazon Prime Video und außerhalb von Deutschland auch auf Netflix sehen kann. Seit 2018 produziert EPOCH jährlich eine Staffel.
J-BIG: Welche Altersgruppe adressiert EPOCH mit seinen Produkten?
Willi Schiffner: Wir konzentrieren uns auf die Altersgruppe der Drei- bis Achtjährigen. Ein Mädchen beispielsweise, das mit drei bis fünf Jahren eine starke Verbindung zu einer Marke wie Sylvanian Families aufbaut, wird auch später noch mit unseren Marken spielen. Wir müssen die Kinder mit den Produkten vertraut machen, bevor sie ihr erstes Handy bekommen. Danach sind sie für hochwertige Spielsachen leider oft verloren.
J-BIG: Was unterscheidet EPOCH von anderen Spielwarenfirmen?
Willi Schiffner: Wir sind einfach zeitlos. Wenn Sie in der Spielwarenbranche über 30 Jahre ein Produkt haben und jedes Jahr in den Key-Märkten auf einem Regal landen, dann ist das schon eine sehr große Leistung. Es gibt viele Produkte, die kommen und gehen. Andere Produkte erleben einen Relaunch nach dem anderen, um auch die nächste Generation wieder für die Produkte zu begeistern. Wir hingegen bringen eine Marke heraus und lassen uns richtig Zeit, um sie zu implementieren. Denn wir möchten sie die nächsten 10, 20, 30 Jahre oder länger weiter auf dem Markt haben. Sylvanian Families vertreiben wir jetzt seit 37 Jahren, Super-Mario-Produkte seit 30 und Aquabeads seit 18 Jahren. Unsere japanischen Kollegen und wir sprechen von Evergreen Brands. Das ist ein klares Statement und unsere DNA.
J-BIG: Wie ist Ihre Zusammenarbeit mit Japan organisiert?
Willi Schiffner: Wir arbeiten direkt mit dem japanischen Headquarter zusammen. Wir haben zwar ein europäisches Zentrallager, aber ansonsten gibt es keinen Überbau wie etwa eine Europazentrale. In der Vergangenheit haben wir uns mit dem Mutterkonzern mindestens drei bis viermal pro Jahr persönlich getroffen, mindestens einmal in Japan, auf der Spielwarenmesse in Nürnberg und auch in einer weiteren europäischen Stadt, wie Paris oder Wien. Bis Mitte 2021 hatten wir einen japanischen Kollegen, der uns hier vor Ort sechs Jahre lang unterstützt hat. Seine Nachfolgerin, ebenfalls Japanerin, übernimmt für uns die Kommunikation mit unseren Ansprechpartnern in Japan. Das ist sehr hilfreich, weil die Kultur einfach so unterschiedlich ist.
J-BIG: Welche Erfahrungen haben Sie in der Zusammenarbeit mit japanischen Kollegen gemacht?
Willi Schiffner: Die Kommunikation läuft anders, vieles wird nicht konkret gesagt, sondern steht zwischen den Zeilen. Als ich hier angefangen habe, war das erste, was man zu mir gesagt: „Du musst darauf achten, dass ein Ja nicht unbedingt Ja und ein Nein nicht unbedingt Nein bedeutet.“ Das habe ich zuerst nicht so richtig verstanden. Dann gab es mal ein Meeting, bei dem die japanische Seite zu einem Vorschlag Ja gesagt hat und ich im Anschluss das Ganze direkt an meine Mitarbeiter weiterkommuniziert habe. Nach drei, vier Tagen kam dann eine Mail aus Japan, mit der Information, dass der Vorschlag nun intern besprochen und abgenickt sei. Da bin ich natürlich erschrocken, denn ich war davon ausgegangen, die Freigabe schon längst zu haben. Da habe ich gemerkt, dass ein Ja auch einfach nur heißen kann, dass ein Vorschlag generell verstanden wurde, aber noch geprüft werden muss. Aus europäischer Sicht kommuniziert man mit weniger Nuancen und ich glaube, das ist etwas, das wir lernen müssen in der Zusammenarbeit.
J-BIG: Was sehen Sie heute als besonders japanische Aspekt der Firma?
Willi Schiffner: Die Qualität. Wir haben eigentlich nie Beanstandungen. Die Liebe zum Detail und zur Hochwertigkeit macht uns absolut aus. Aus deutscher Sicht ist das teilweise sogar übertrieben, aber für EPOCH einfach selbstverständlich: das perfekte Erlebnis für die Kinder. Detailtreue ist auch wichtig: etwa bei den Super-Mario-Spielen: da muss man schon das Gefühl haben, als kämen die Charaktere direkt aus dem Videospiel. Und zuletzt ist auch die Produktsicherheit absolut zentral.
J-BIG: Wo wollen Sie in den nächsten Jahren noch hin?
Willi Schiffner: Einerseits wollen wir in Europa in weitere Länder expandieren. Andererseits werden wir unser Produktportfolio erweitern – aber eben mit ausreichendem Vorlauf. Der Spiele- und Brettspielebereich wird insbesondere in der Region DACH in der Zukunft für uns eine der wichtigsten Umsatztreiber sein. Aber am Ende entscheidet darüber das japanische Headquarter. Wir sind uns sicher, dass unser japanisches Headquarter noch einige spannende Produkte und Marken in der Pipeline hat, die wir dann auch international vermarkten werden.