Angefangen hat die DoKomi mit einem spontanen Einfall von sechs Freunden. Heute ist sie zur größten Anime- und Manga-Convention Deutschlands geworden, mit über 100.000 Besuchern und Besucherinnen und Umsätzen in Millionenhöhe. Obwohl nach Corona etwas anderes zu erwarten gewesen wäre, waren die Ticketverkäufe in diesem Jahr bereits ein halbes Jahr im Voraus so hoch wie nie zuvor. J-BIG sprach mit Andreas Degen, Co-Gründer und einer der beiden Hauptorganisatoren der Veranstaltung, über die Anfänge der DoKomi, die Bedeutung der heutigen Popkulturmesse für die Szene und Entwicklungsperspektiven für die Zukunft.
J-BIG: Wie hat alles angefangen mit der DoKomi?
Andreas Degen: Das war vor fünfzehn Jahren, im Jahr 2008. Wir waren sechs Freunde mit Anime-Begeisterung im Alter zwischen 13 und 20 und trafen uns wie jedes Jahr im Freizeitpark Rheinaue in Bonn. Wir haben uns angeregt unterhalten, und da fiel dann dieser verhängnisvolle Satz: „Hey, lasst uns doch mal eine Convention machen.“ Damals gab es bereits hunderte von Cosplayern, Otaku, Anime- und Manga-Fans, die sich samstags in Düsseldorf trafen. Das waren alles Schüler und junge Studenten, die sich über die Webplattform Animexx verabredeten und trafen. Animexx ist ein Forum für Anime-Fans und war damals, bevor es Facebook gab, ein zentraler Treffpunkt für die Szene. All diese Menschen kamen also zusammen, aber hatten im Prinzip kein „Dach über dem Kopf“. Wir dachten, dass es schön wäre, das zu ändern und den Menschen einen Ort zu geben, wo man hinpilgern konnte. Jeder aus dem Team hatte dann weitere Ideen, beispielsweise ein Café aufzuziehen oder einen Ort zu gestalten, wo Zeichner zusammenkommen könnten.
J-BIG: Wie sah zu dem Zeitpunkt die Convention-Szene in Deutschland aus?
Andreas Degen: In Deutschland gab es bereits zwei große Anime-Conventions, die Animagic und die Connichi. Zusätzlich dazu gab es noch die Leipziger Buchmesse, die Frankfurter Buchmesse und viele kleinere Messen, die bereits japanisches Programm boten. Wir hatten den Rahmen eigentlich für etwas Kleines, etwa 300 Leute, gesetzt. Als wir dann aber anfingen zu planen und die Veranstaltung für alle zugänglich im Event-Kalender auf Animexx hochgeladen hatten, merkten wir ziemlich schnell, dass sich nicht nur 300 Leute angemeldet hatten – nach kurzer Zeit waren es bereits über 1.000. Und es hörte nicht auf. Also kam es dazu, dass wir bereits im ersten Jahr die Location und das Veranstaltungsdatum ändern mussten.
Kostenfrei abonnieren
„J-BIG – Japan Business in Germany“ ist das E-Mail-Magazin rund um die Aktivitäten japanischer Unternehmen im deutschen Markt. Registrieren Sie sich kostenfrei!
J-BIG: Was unterschied und unterscheidet die DoKomi von anderen Conventions?
Andreas Degen: Einer unserer Grundsätze ist, dass wir Innovationen einbringen. Wir wollen jedes Jahr etwas Neues einbauen. Die erste Innovation war, dass wir ein Maid Café gegründet haben, ein japanisches Event-Szene-Café. Heutzutage ist das auf Conventions relativ weit verbreitet, aber das gab es damals noch nicht. Weiterhin haben wir eine Artist Alley oder eine Zeichnerallee eingerichtet, wo Künstler und Manga-Zeichner ihre Werke präsentieren und verkaufen können. Dabei haben wir uns an den weltweit größten Fan-Artist und Fan-Mangaka Veranstaltungen orientiert, weil wir den Geist dieser „von Fans für Fans“ Veranstaltungen toll fanden. Ursprünglich haben wir mit zehn Zeichnern angefangen und mittlerweile haben wir fast 2.000 Bewerbungen, von denen wir etwa 1.000 aufnehmen können. Da hat sich unfassbar viel getan in den letzten 15 Jahren. Wir sind definitiv auch der Veranstalter in der Szene, der das umfangreichste Programm anbietet und trotzdem nicht den höchsten Ticketpreis hat.
J-BIG: Zurück zu den Anfängen: Wo fand denn die erste DoKomi dann schließlich statt?
Andreas Degen: Die erste DoKomi fand damals im „Burg-Wächter Castello“ der Freien Christlichen Schule in Düsseldorf Reisholz statt. Es kamen 1.800 Personen in der angegliederten Mehrzweckhalle zusammen. Viele der Leute, mit denen wir heute zusammenarbeiten, sind seit dem ersten Jahr der DoKomi mit dabei. Die ersten drei Jahre sind wir in dieser Location geblieben, aber dann gab es das tragische Loveparade-Jahr 2011, das sehr viel in der Event-Branche verändert hat. Wir drohten unsere Kapazitätsgrenze zu sprengen und mussten uns nach Alternativen umschauen. Die Stadt Düsseldorf hat uns dann dabei unterstützt, ins Congress Center Düsseldorf zu kommen und die DoKomi dort durchzuführen.
J-BIG: Also hat die DoKomi von Seiten der Stadt Unterstützung erfahren?
Andreas Degen: Ja, absolut! Tatsächlich war Frau Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die heutzutage bekannt für ihre Arbeit im Verteidigungsausschuss ist, damals noch Bürgermeisterin in Düsseldorf und zählte zur einer der ersten Unterstützerinnen der DoKomi. Außerdem hat uns das Japanische Generalkonsulat in Düsseldorf ebenfalls sehr unterstützt, da die japanische Regierung im Rahmen ihrer Strategie „Cool Japan“ die Popkultur als positiven Imageträger für Japan förderte. Das war alles rein ideeller Art, hat uns aber viele Türen geöffnet. Hinzu kommt die Unterstützung durch die Deutsch-Japanische Gesellschaft am Niederrhein, die unsere erste Anlaufstelle gewesen ist.
J-BIG: Wie wurde das Team organisiert?
Andreas Degen: Im ersten Jahr waren wir noch sehr unerfahren und naiv. Keiner von uns hatte Eventmanagement gelernt, vieles war aus professioneller Sicht daher sehr haarsträubend und turbulent. Nach der ersten DoKomi dachten wir viel darüber nach, was wir alles falsch gemacht hatten. Eigentlich hatten wir erwartet, dass uns die Leute den Kopf abreißen würden, denn natürlich ging vieles schief. Aber tatsächlich haben sich sehr viele über die Veranstaltung gefreut und wir haben sehr viel positives Feedback bekommen.
J-BIG: Wie ging es dann weiter und wie kam es später zu dem enormen Wachstum der DoKomi?
Andreas Degen: Damals haben wir die DoKomi in unserer Freizeit organisiert. Heute sind wir eine GmbH und die größte Manga- und Anime-Convention in Deutschland. Das war übrigens nicht unser Ziel, wir wollten nicht wie die großen Messen Animagic oder Connichi sein, sondern im Kleinen unser Ding machen. Aber die Realität war insofern anders, dass immer mehr Leute kommen wollten und es einfach nicht sehr schön war, sie aus Kapazitätsgründen wieder nach Hause schicken zu müssen. Wir waren in den Jahren 2011 bis einschließlich 2016 jedes Jahr ausverkauft, obwohl wir jährlich unsere Kapazitäten erweitert haben. Es war unser Wunsch, allen, die teilnehmen wollen, das zu ermöglichen. Also mussten wir wachsen. Das hat aber auch viele Veränderungen gebracht und wir mussten etwas umdenken. Beispielsweise ging unser gemütliches und familiäres Flair verloren, als wir in einem Jahr ausschließlich in Messehallen umgezogen sind. Also haben wir dann in den Folgejahren viel Teppich gelegt und uns eine andere Struktur für den Aufbau überlegt. Von 2017 bis 2019 gab es einen extremen Wachstumsschub, aber wir waren dann groß genug geworden, dass wir noch immer Tickets für alle anbieten konnten. Es gab jedes Jahr neue Programmpunkte, weswegen unser Programmheft mittlerweile auf über 200 Seiten angewachsen ist. Im Jahr 2011 haben wir einen Cosplay-Ball eingeführt, der mittlerweile zu einem unserer beliebtesten Programmpunkte geworden ist. Die 1.500 Tickets für den Ball sind immer sehr schnell ausverkauft.
J-BIG: Was hat sich über die Jahre noch verändert?
Andreas Degen: Wir wurden immer professioneller. Für kritische Infrastruktur setzen wir auf professionelles Personal und nicht mehr auf Ehrenamtliche, beispielsweise stellen wir eine Security-Firma an. Das ist mir wichtig, weil ich auch möchte, dass alle ehrenamtlichen Helfer nur die Aufgaben machen, die Spaß machen, wie im Community-Bereich zu wuseln, bei Kunst-Ständen zu helfen oder ein Turnier zu organisieren. Was mich überrascht, ist dass die Besucher nicht sehr preissensibel sind. Viele zahlen ohne Probleme 80 € für ein Ticket oder auch 90-100 € bei anderen Veranstaltungen. Wir mussten aufgrund von Pandemie und Inflation, und weil die Aufwände immer größer geworden sind, teurer werden. Aber wir versuchen es noch im Rahmen zu halten, denn die meisten unserer Besucher sind traditionell Schüler und Studenten, die normalerweise nicht so viel Geld zur Verfügung haben. Auch mussten sich die Zeichner früher einiges anhören, wenn sie etwas Geld für ihre Kreationen wollten. Heutzutage werden die Zeichnungen und die Kunst dahinter mehr gewürdigt und auch mit größerer Selbstverständlichkeit bezahlt. Es gibt bei uns viele Zeichner, die sich selbstständig gemacht haben und auch davon leben können. Sie haben sich online ihre Communities aufgebaut und Conventions wie die DoKomi sind ein ganz zentraler Baustein für sie als Orte, wo sie ihre Zielgruppe treffen und ihre Kunst verkaufen können.
J-BIG: Woher kommt diese finanzielle Bereitwilligkeit?
Andreas Degen: Nach meiner Einschätzung ist es den Leuten wichtiger geworden, an so etwas teilzunehmen. Die Fans wollen auf Conventions fahren. Dieses Jahr hatten wir im Januar schon die Menge an verkauften Samstags-Tickets überschritten, die wir letztes Jahr insgesamt verkauft hatten. So früh haben die Teilnehmer noch nie ihre Tickets gekauft, was uns auch ein bisschen überrascht hat, weil wir eher unsicher waren aufgrund der ganzen Preissteigerungen. Auch denke ich, dass die Leute vielleicht ein bisschen mehr Geld zur Verfügung haben als früher, weil sie im Schnitt älter geworden sind und Geld verdienen. Viele fahren schon seit 15, 20 Jahren auf Conventions, sind jetzt aber nicht mehr 15 Jahre alt und bringen sogar ihre Kinder mit. Zusätzlich kommen immer wieder neue Jugendliche, Schüler und Studenten dazu.
J-BIG: Das klingt nach viel Nachwuchs in der Szene!
Andreas Degen: Es kommt im Anime- und Manga-Bereich quasi ständig neues jugendliches Klientel hinzu. Die Szene wächst aktuell auch unheimlich durch Netflix und Co., und auch durch Manga. Man merkt, dass das Interesse an der Thematik da ist und dass Anime und Manga im Mainstream angekommen sind. Das war für uns früher undenkbar. Da haben wir gedacht, es gäbe ja nur 5.000 Fans und wir machen diese Convention für ein paar hundert Leute. Und wenn man auf Conventions fährt, sehe man immer dieselben Leute. Jetzt reden wir davon, dass wirklich jeder schonmal von Anime, Manga oder Cosplay gehört hat. Es muss ja nicht jeder machen oder mögen, aber man kennt es. Die Jugendlichen wachsen damit auf, weil Anime und Manga in der Medienkultur überall vertreten sind.
J-BIG: Was hat die erste Veranstaltung damals gekostet und in welchen Dimensionen bewegt sich die DoKomi heute?
Andreas Degen: Für Miete, Kosten der Stände, Anmietung und Personal, Lizenzgebühren und Co. fielen damals Kosten in der Größenordnung von 16.000 € an. Ein Wochenend-Ticket hat damals zwischen 12 und 15 € gekostet und wir hatten 1.800 Besucher. Mittlerweile sind wir locker 7-stellig was die Kosten der Veranstaltungen angeht. Dieses Jahr wird es zum ersten Mal in der Geschichte der DoKomi einen dritten Tag geben. Wir können uns darauf einstellen, dass unsere Kosten zum Teil um 50 Prozent wachsen werden, allein aufgrund der Energiekosten. Wir kalkulieren derzeit mit einem einstelligen Millionenbetrag und ein 3-Tages-Ticket kostet zwischen 75 und 79 €. Die Herausforderung, dass wir jedes Jahr wachsen und größer werden, zum Teil auch sehr kurzfristig, führt auch zu einem gewissen Risiko, das wir jedes Jahr eingehen. Ich bin meistens sehr konservativ was Einschätzungen angeht und rechne gerne nur mit den Leuten, die im Vorjahr da waren. Es werden dann aber jedes Jahr mehr, was zu mehr Herausforderungen und Kosten führt. Beispielsweise haben wir dieses Jahr die Infrastruktur um einen weiteren Eingang erweitert.
J-BIG: Habt Ihr als Verein angefangen wie manch andere Veranstaltung?
Andreas Degen: Nein, wir waren tatsächlich nie ein Verein, und das haben wir sehr bewusst so gemacht. Es gibt die Sichtweise, dass wir früher noch so klein waren und jetzt groß und kommerziell sind. Aber wir sind genauso „von Fans für Fans“ wie früher auch. Das sieht von außen vielleicht nicht mehr so aus, aber wenn man bei uns im Team rumwuselt, merkt man das sofort. Die meisten Conventions waren zuerst Verein-Conventions, aber wir sahen eine Vereinsstruktur für eine Veranstaltung als sehr suboptimal, unter anderem, weil sich die Organisation alle Ausgaben beim Vorstand absegnen lassen muss, der meistens aus sechs bis sieben Personen besteht, und man sich für neue Projekte von allen eine Zustimmung holen muss. Das ist eine Hürde, die sehr viel kreativen Freiraum rausnehmen kann und auch die Prozesse verlangsamt. Bei uns gibt es eine klare Struktur und man weiß genau, wen man ansprechen muss, wenn man eine Investition tätigen will. Wir waren zuerst eine GbR, dann eine UG und dann eine GmbH, denn für Studenten war es zunächst nicht so einfach, das Grundkapital von 25.000 € aufzubringen. Wir haben uns das über die Jahre Schritt für Schritt aufgebaut. Es war ein langer aber durchaus bewusster Prozess, den ich jederzeit wieder durchlaufen würde.
J-BIG: Wie ist die DoKomi heute auf Personalebene organisiert?
Andreas Degen: Am Anfang haben uns Lehrer und das Personal der Schule geholfen. Zusätzlich hatten wir zwischen 20 und 30 ehrenamtliche Helfer. Heute besteht die Organisation aus knapp 60 Leuten, inklusive des Büro-Teams. Es gibt ein ehrenamtliches Team auf Organisations-Seite, wo jeder einen gewissen Bereich managt, z.B. die Bühne, das Maid Café oder die J-Rave, unsere Party am Abend.
Außerdem gibt es mittlerweile ein kleines hauptamtliches Team, das aus sieben Leuten besteht. Das Büro-Team hat die Aufgabe, die Kommunikation dieser Organisatoren zu bündeln und zu schauen, dass alle die Ressourcen haben, die sie benötigen. Tatsächlich sind die meisten in unserem Team seit etwa 15 Jahren mit dabei. Die Fluktuation ist nicht mehr so hoch wie es früher der Fall war und das sind alles Leute, hinter denen ich zu hundert Prozent stehe. Wenn neue Mitarbeiter dazukommen, erschließen diese meistens neue Bereiche und so ist das Organisationsteam über die letzten Jahre gewachsen. Dieses Jahr wird es beispielsweise einen Fashion-Bereich geben. Zusätzlich haben wir dann noch ein Helferteam, das vor Ort bei der Veranstaltung unterstützt. Insgesamt sind wir um die 600 Leute.
J-BIG: Kommt es auch vor, dass Ehrenamtliche zu Mitarbeitern werden?
Andreas Degen: Ja, das ist bei unserem Büro-Team der Fall. Wir konnten dieses Jahr zum ersten Mal Festangestellte einstellen, obwohl wir das gerne schon früher gemacht hätten, und wir sind jetzt im 15. Jahr. Das sind alles Leute, die sich ihren Arbeitsplatz im Prinzip selbst aufgebaut haben, weil sie so notwendig und auch so gut geworden sind, dass wir sie nicht mehr entbehren wollen und können. Wir möchten ihnen eine Perspektive bieten, dass sie dabeibleiben und ihr Hobby zum Beruf machen können. Aber ich gehe da immer sehr bedächtig und schrittweise vor, denn wenn ich jetzt jemanden anstelle, dann möchte ich ihm auch noch in fünf Jahren sein Gehalt garantieren können. Ich fände es verantwortungslos, jetzt ganz viele Menschen einzustellen, weil es gerade geht, obwohl ich nicht weiß, ob ich sie in Zukunft auch noch bezahlen kann. Ich würde sehr gerne noch weiteren Leuten eine Perspektive geben können, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen und baue das gerne weiter aus, sofern es uns möglich ist.
J-BIG: Die DoKomi war eine der wenigen Messen, die auch während Corona live vor Ort stattgefunden hat. Wie habt Ihr das gemacht?
Andreas Degen: Wir finden eigentlich immer an Pfingsten statt und sind dann aufgrund der Pandemie in den August und September 2020 ausgewichen. Ich muss aber ein bisschen ausholen, denn mir ist wichtig, dass das richtig verstanden wird. Wir haben damals viel Kritik geerntet und uns wurde vorgeworfen, dass uns die Pandemie egal sei. Das ist mitnichten so und wir tragen eine riesige Verantwortung für unsere Besucher und alle Teilnehmenden. Im Prinzip wussten wir bis drei Tage vor der Convention nicht, ob wir stattfinden können. Das war viel Stress und schwierig. Aber wir haben es durchgezogen, weil wir daran geglaubt haben, dass es wichtig ist für die Leute.
Ich sehe die Convention-Szene als ein Netzwerk und eine Basis für viele Leute, die sich auf wirtschaftlicher, aber auch sozialer Ebene austauschen. Viele Menschen haben in der Szene ihr Zuhause gefunden und sind aufgeblüht durch die Wertschätzung, die sie dort erfahren haben. Auch haben wir, wie erwähnt, eine Vielfalt an Zeichnern und Selbstständigen, die von Convention zu Convention fahren und dadurch ihren Lebensunterhalt finanzieren. Mit war es wichtig, dass wir diesen Leuten weiterhin eine Plattform bieten konnten.
Diesen Entschluss hatte ich gefasst, als die Leipziger Buchmesse abgesagt wurde, was ein harter Schlag für all die Aussteller und Zeichner war, denen eine Haupteinnahmequelle weggebrochen ist. Wir haben von vielen Ausstellern die Rückmeldung bekommen, dass wir sie durch das Jahr gerettet haben. Ich habe beobachtet, wie sich das ganze soziale und wirtschaftliche Netzwerk, das sich aufgebaut hatte, auflöst. Und ich hatte Sorge, welche Auswirkungen die Pandemie auf unsere ganze Szene haben würde, wenn Showgruppen auseinander gingen, weil sie nicht mehr auftreten konnten, und Zeichner sich etwas anderes suchen mussten. Niemand wusste, wie lange die Pandemie anhalten würde und welche langfristigen Auswirkungen dies auf die Szene haben würde. Also haben wir die Veranstaltung stattfinden lassen, weil wir gesehen haben, dass wir sie sicher durchführen konnten.
Wir haben ein riesiges Messegelände zur Verfügung, das Social Distancing möglich machte. Dafür haben wir auf 108.000 Quadratmeter erweitert. Von 55.000 Besuchern in 2019 haben wir 2020 auf 30.000 Besucher über das gesamte Wochenende reduziert, also auf 15.000 pro Tag. Somit haben wir die Anzahl halbiert, aber die Fläche verdoppelt und eine Maskenpflicht durchgeführt. Weil es noch keine Tests gab, haben wir außerdem Fieberscans an den Eingängen gemacht. Im Folgejahr 2021 haben wir mit Tests gearbeitet.
J-BIG: Dann wurde es ab 2022 wieder etwas normaler. Wie viele Besucher waren es im letzten Jahr und wie viele erwartet ihr 2023?
Andreas Degen: Wir haben im letzten Jahr ein massives Wachstum erfahren und auch aktuell eine enorme Nachfrage. Insgesamt waren es 2022 75.000 Besucher über zwei Tage, wobei wir die reinen Besucher-Tickets bei 32.000 pro Tag gekappt haben. Der Rest bestand aus Ausstellern, Presse und Helfern. Dieses Jahr haben wir die 32.000 für den Samstag bereits im Januar überschritten und Sonntag und Freitag bewegten sich auch schon auf ähnlichem Niveau. Durch die Einführung des dritten Tages ist es also realistisch, dass wir über die 100.000 kommen werden und uns vielleicht sogar Richtung 120.000 einpendeln werden. Das ist schon krass und wir hätten auch nicht erwartet, dass wir uns in diese Richtung entwickeln würden. Ich bin wirklich dankbar, dass wir mit der Messe Düsseldorf und dem Congress-Center Düsseldorf einen so guten Partner haben, mit dem wir seit 15 Jahren durch dick und dünn gegangen sind. Als japannahe Plattform fühlt man sich dort sehr gut aufgehoben und wertgeschätzt.
J-BIG: Gab es während Corona denn auch ein Online-Angebot?
Andreas Degen: Wir haben sogenannte DigiKomis durchgeführt. Dafür möchte ich auch unserem Team meinen Dank aussprechen, denn das war sehr viel Arbeit und Online-Conventions sind nichts, womit man Geld verdient in der Event-Branche. Aber wir haben das aus ideellen Gründen gemacht. Zu unserem ursprünglichen Datum um Pfingsten haben wir 2020 ein kleines Studio angemietet und ein Stage-Programm gemacht, das wir Live über Twitch gestreamt haben. Danach ist dann das Thema VTubing aufgekommen, bei dem Leute als Anime-Avatare Content kreieren, Videos produzieren und streamen. Im englischsprachigen Bereich ist das 2020 durch die Decke gegangen und 2021 habe ich auch mit VTubing angefangen. Ich wusste nicht, ob ich meine Energie weiter in DoKomi stecken könnte, weil im schwierigen Winter 2020/2021 so viel Lethargie und Unsicherheit herrschte. Ich habe mich in der Szene dann sehr schnell vernetzt und gemerkt, dass wir VTubing auch gut auf der DoKomi einbauen können. Also haben wir tatsächlich noch zwei weitere DigiKomis mit Fokus auf VTubing gemacht, was auch gut von zuhause aus ging, und haben einige der größten VTuber aus der Szene eingeladen. Das ließ sich am Ende auch in die physikalische DoKomi einbauen, in Form eines Konzerts von VTubern auf der Convention. Als die Firma Amazon als Sponsor auf uns zukam, haben wir im September 2021 eine DigiKomi x Amazon organisiert. Dieses Jahr im März gab es wiederum eine Kollaboration, dank der wir ein Studio anmieten konnten und ein vernünftiges Budget zur Verfügung haben. So macht es auch Sinn und Spaß. Ich denke all dieses Aktionen haben dazu beigetragen, dass wir jetzt so ein Wachstum verzeichnen können und stark aufgestellt sind.
J-BIG: Kollaboriert die DoKomi mit weiteren Firmen, um sich zu finanzieren?
Andreas Degen: Wir finanzieren uns zu 70 % über Tickets und 30 % über Aussteller und den Rest, der auch Sponsoring inkludiert. Die Einnahmequellen Tickets und Aussteller funktionieren bei uns sehr gut. Wir sind stark Community-finanziert und das ermöglicht uns, im Sinne der Community zu handeln.
J-BIG: Inwiefern finden Kollaborationen mit Japan statt? Gibt es Berührungspunkte zu japanischen Headquartern von Unternehmen?
Andreas Degen: Wir sind eher mit den deutschen Pendants im Gespräch. Wir haben aber auch viel Kontakt mit Japan, hauptsächlich mit Musikfirmen und Musiklabels, wenn wir Ehrengäste einladen, und auch mit Verlagen und potentiellen Ausstellern. Aber man muss bedenken, dass es von Japan nach Europa immer noch ein sehr langer Weg ist und es lange dauert, sich etwas aufzubauen. Wir arbeiten da eher auf langfristige Sicht.
Wir möchten einen B2B-Bereich auf der Convention etablieren und arbeiten dafür mit dem Deutsch-Japanischen Wirtschaftskreis zusammen. Aktuell gibt es einen „Hiru no Kai“ im Programm und wir wollen das in Zukunft weiter ausbauen. Aber das machen wir Schritt für Schritt, denn wenn wir japanischen Besuch bekommen, dann möchte ich, dass sie glücklich sind und ein gutes Erlebnis bei uns haben.
J-BIG: Wo sieht sich die DoKomi langfristig und in welchen Dimensionen denkt Ihr für die Zukunft?
Andreas Degen: Wir kommen von: „Wir sind eine Kleinfamilie und sympathisch“. Sympathisch möchte ich gerne bleiben, aber das wird immer schwieriger, je größer wir werden. Es gibt immer mehr Neider und Leute, denen man auf den Schlips tritt, wenn so viele involviert sind. Das ist für mich persönlich sehr schwierig, weil ich sehr harmoniebedürftig bin, aber leider auch schwer zu vermeiden. Mittlerweile würde ich sagen: Wir denken in Richtung „die Japan Expo für Deutschland“. Mit einer sechsstelligen Besucherzahl sind wir dieses Jahr die größte reine Anime-Manga-Conventions in Deutschland. Die Japan Expo in Paris hat derzeit um die 200.000-300.000 Besucher, geht aber auch über vier Tage. Es ist zwar nicht unser explizites Ziel, diese Größenordnung zu erreichen, aber es ist schon möglich, dass wir uns dahin entwickeln. Ob wir nun die Japan Expo in Paris überholen oder nicht, ist mir da nicht so wichtig. Wir möchten vor allem inklusiv sein.
J-BIG: Welche konkreten Ideen gibt es für künftige DoKomis?
Andreas Degen: Es gibt drei Aspekte, an denen ich langfristig arbeiten möchte. Erstens möchte ich den B2B-Bereich weiter ausbauen. Viele Leute leben mittlerweile von den Conventions und der Popkultur. Die Zukunft von Messen sehe ich im Übrigen sehr entspannt. Wenn danach gefragt wird, ob wir mit den digitalen Welten noch Conventions brauchen, sage ich: Selbst wenn sich Menschen online kennenlernen, wenigstens einmal im Jahr möchte man doch persönlich zusammenkommen. Daher halte ich auch Messen für ein sinnvolles Zukunftskonzept.
Zweitens möchte ich mit der DoKomi im Digital-Bereich eine zentrale Plattform für die Szene bereitstellen. Menschen sollen online ihre Freunde treffen und finden können, Communities aufbauen und vielleicht auch die Möglichkeit finden, ihren Content zu monetarisieren, wenn es beispielsweise Streamer, Content-Creatoren oder TikToker sind Und nicht zuletzt möchten wir drittens mehr japanische Beteiligung auf die Convention bringen. Denn im Endeffekt legitimiert jeder Publisher und jeder Händler, der aus Japan vor Ort ist, die Veranstaltung noch einmal und macht sie authentischer und irgendwie japanischer. Wir als GmbH wollen eine Brücke bauen zwischen Japan und Deutschland und ein bisschen das Gefühl von Akihabara nach Deutschland holen.