Sapporo Ramen gehören zu den besten Ramen Japans und sind für ihre dicke Miso-Suppe und die gelben, gewellten Nudeln bekannt – eine Kreation von Nishiyama Seimen. Seit über 70 Jahren entwickelt sich das Unternehmen vom Nudelhersteller zum Förderer der Ramen-Kultur und treibt die weltweite Verbreitung des Gerichts voran. In Europa setzt es sich dafür ein, Ramen als festen Bestandteil der Esskultur zu etablieren. Die J-BIG-Redaktion sprach mit Seiji Higuchi, Leiter der deutschen Tochtergesellschaft Sapporo Nishiyama Europe, über die Unternehmensgeschichte, globale Expansion und Herausforderungen auf dem europäischen Markt – stets mit dem Ziel, nicht nur wirtschaftlich zu wachsen, sondern die Ramen-Kultur nachhaltig zu fördern.
J-BIG: Können Sie uns etwas über die Gründung Ihres Unternehmens und seine Anfangszeit erzählen?
Seiji Higuchi: Nishiyama Seimen begann 1947 als kleiner Ramen-Stand in Sapporo, Hokkaido, unter dem Namen „Darumaken“. In der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Krieg gab es in Sapporo viele Verkaufsstände, da noch kein Platz für Geschäfte vorhanden war. Sapporo wurde zwar durch den Krieg nicht dem Erdboden gleich gemacht, wie andere japanische Städte, befand sich aber in einer sehr schwierigen Situation. Es gab nicht genügend Lebensmittel und die Wirtschaft lag am Boden.
Unter diesen Umständen war Ramen keine Esskultur wie heute, sondern war bei den Menschen vor allem als Nahrungsmittel und Tagesmahlzeit notwendig. „Darumaken“ war einer der Ramen-Stände, der hausgemachte Nudeln anbot und rasch Teil der Nachkriegs-Esskultur von Sapporo wurde.
Die hausgemachten Nudeln kamen so gut an, dass die umliegenden Ramen-Läden darum baten, dieselben Nudeln verwenden zu dürfen, was zur Weiterentwicklung der Nudelherstellung führte. Im Jahr 1953 wurde die Abteilung für Nudelherstellung unabhängig und offiziell als „Nishiyama Seimen-jo“, zu Deutsch „Nishiyama Nudelfabrik“, ausgegründet.

J-BIG: Wie sind Sie zu Nishiyama Seimen gekommen und wie ist Ihre Karriere bisher verlaufen?
Seiji Higuchi: Ursprünglich arbeitete ich für den Lebensmittelhersteller Nisshin Seifun Gruppe in Japan. Als ich heiratete, verließ ich die Nisshin Seifun Gruppe und wechselte zu Nishiyama Seimen. Zeitgleich mit diesem Karrierewechsel zog ich 2016 nach Deutschland und trat in die heutige deutsche Tochtergesellschaft ein. Diese wurde 2014 gegründet, allerdings war ich zu dieser Zeit noch in Japan und nicht direkt an ihrer Gründung beteiligt.
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Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, war ich ein Schüler, der Ramen liebte und fast jeden Tag aß. Vor allem, als ich in der High School im Baseball-Club spielte, gehörten Ramen nach dem Training zu meiner täglichen Routine. Diese Vorliebe für Ramen hatte einen erheblichen Einfluss auf meine heutige Laufbahn.
J-BIG: Wie groß ist Nishiyama Seimen als Unternehmen?
Seiji Higuchi: Das Unternehmen beschäftigt etwa 225 Mitarbeiter und erzielt einen Jahresumsatz von rund 5,2 Milliarden Yen. Etwa 45 Prozent des Gesamtumsatzes entfallen auf Hokkaido, 35 Prozent auf den übrigen japanischen Markt und die restlichen 20 Prozent auf ausländische Märkte. Das Hauptprodukt sind frische Ramen für den gewerblichen Gebrauch, die etwa 55 Prozent des Gesamtumsatzes ausmachen. Die restlichen 45 Prozent werden aus Produkten für den Einzelhandel und Souvenirs in Ramen-Läden, wie z. B. den an Flughäfen verkauften Sumire-Souvenir-Ramen, generiert.
Was unsere Position innerhalb der Branche betrifft, gibt es keine eindeutige Rangfolge, da die Nudelindustrie sehr breit gefächert ist. Unser Geschäft konzentriert sich auf frische Ramen für den kommerziellen Gebrauch und wir liefern Nudeln an mehr als 8.000 Restaurants in Japan, von denen mehr als 3.000 auf Ramen spezialisiert sind. Wir bedienen auch Gastronomiebetriebe. Im Ausland fokussieren wir uns auf Ramen-Restaurants und beliefern mehr als 360 Lokale, mehr als 150 davon in Europa.
Derzeit werden unsere Produkte in 35 Ländern und Regionen verkauft und wir haben Auslandsstandorte in Deutschland und den USA. Wir exportieren direkt von Japan aus in den asiatischen Markt und beliefern auch Länder im Mittleren Osten und Ozeanien, sowie die ferne japanische Forschungsstation Showa in der Antarktis, direkt von unserem Hauptsitz aus.
Die meisten der 3.000 Ramen-Läden in Japan sind in Privatbesitz – große Ketten sind in der Minderheit. Es gibt zwar einige Ketten, wie Takumi, aber im Grunde handelt das Unternehmen hauptsächlich mit einzelnen Geschäften.

J-BIG: Wie hat sich Nishiyama Seimen seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1953 entwickelt?
Seiji Higuchi: Der Anstoß für das Wachstum von Nishiyama Seimen war ursprünglich eine Anfrage eines Ramen-Restaurants namens „Aji no Sanpei“. Das Restaurant wollte Nudeln entwickeln, die gut zu den Miso-Ramen passen würden, die es servierte. So entstanden die „gelben gewellten Nudeln“, die auch heute noch sehr beliebt sind. Die ersten Ramen mit diesen Nudeln wurde im „Aji no Sanpei“ angeboten und wurden zum Prototyp für die Sapporo Miso-Ramen. Die Nudeln zeichnen sich durch ihren hohen Wassergehalt und den Reifungsprozess aus, der ihnen ihre einzigartige Textur und Festigkeit verleiht. Sie passen hervorragend zu der dicken Suppe und wurden zu einem Symbol für Sapporo Miso-Ramen.
Miso-Ramen aus Sapporo wurden bei japanischen Touristen beliebt und verbreiteten sich im ganzen Land, auch auf Honshu. Touristen, die Sapporo besuchten, betrachteten es als ein Muss, Miso-Ramen zu probieren. Das Auftauchen von Instant-Ramen wie „Sapporo Ichiban“ und Ramen-Kettenrestaurants wie „Dosanko“ trugen außerdem dazu bei, ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen.
Im Einklang mit diesen Entwicklungen haben auch wir bei Nishiyama Seimen unseren Maßstab vergrößert. Anstatt aktiv nach Wachstum zu streben, wuchs unser Unternehmen ganz natürlich mit der zunehmenden Beliebtheit von Sapporo Miso-Ramen. Folglich ist Nishiyama Seimen mit der Verbreitung der Sapporo-Ramen-Kultur in ganz Japan gewachsen und hat seine heutige Größe erreicht.


J-BIG: Wie ist Nishiyama Seimen in den internationalen Markt expandiert?
Seiji Higuchi: Nishiyama Seimen expandierte vor 42 Jahren, im Jahr 1983 zum ersten Mal ins Ausland, nach Hawaii in den USA. Damals gab es auf Hawaii eine Hokkaido-Messe, auf der Sapporo-Ramen serviert wurden. Anlässlich der Messe reisten Mitarbeiter von Nishiyama Seimen nach Hawaii, um unsere Ramen zuzubereiten und sie den Kunden zu servieren. Es handelte sich zwar um eine zeitlich begrenzte Aktivität und nicht um die Einrichtung eines dauerhaften Standortes, aber diese Erfahrung war der Beginn unserer Exporte.
Seitdem hat das Unternehmen punktuell in verschiedene Länder exportiert, aber in Europa ließ es sich zuerst nieder. 2014 gründeten wir einen lokalen Standort in Düsseldorf und traten damit noch vor den USA in den europäischen Markt ein.
Um die Qualität ihrer Produkte zu verbessern, stellen wir unseren Kunden sowohl in Japan als auch international Anleitungen und Rezepte für die Herstellung von Ramen-Nudeln zur Verfügung. Wir bieten eine kontinuierliche Unterstützung und auf lokale Bedürfnisse zugeschnittene Vorschläge an, nicht nur für die Verwendung der Nudeln, sondern auch für die Zubereitung der Suppe und das Gesamtrezept. So trägt Nishiyama Seimen zur Verbreitung der Ramen-Kultur in der ganzen Welt bei.
J-BIG: Sie sind also an der Entwicklung des Produkts beteiligt, anstatt es nur zu verkaufen?
Seiji Higuchi: Das ist richtig. Wir verkaufen nicht nur Nudeln im Allgemeinen, sondern entwickeln zusammen mit unseren Kunden auch Geschmacksrichtungen. So lehnen wir es manchmal ab, mit Kunden zusammenzuarbeiten, die keinen besonderen Wert auf Geschmack legen oder einfach irgendein Produkt möchten. Unser Ziel ist es, mit Kunden zusammenzuarbeiten, die den Geschmack wertschätzen, damit wir das bestmögliche Produkt schaffen können.
Konkret bedeutet das, dass wir bei der Neueröffnung eines Restaurants zwei bis drei Tage damit verbringen, mit den Kunden an Prototypen zu arbeiten und letzte Anpassungen vorzunehmen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass unsere Mitarbeiter das Lokal besuchen und bei den Vorbereitungen für die Eröffnung helfen. Wir legen großen Wert auf diesen Prozess des gemeinsamen Schaffens mit unseren Kunden, und diese Einstellung ist uns bis heute sehr wichtig.
J-BIG: Welche spezifischen Anpassungen nehmen Sie vor, wenn Sie Rezepte für Restaurants entwickeln?
Seiji Higuchi: In Japan betreffen die kundenspezifischen Anpassungen, die wir vornehmen, hauptsächlich die Nudeln. Wir verarbeiten etwa 500 Nudelteigsorten, die wir als Grundlage für die weitere Feinabstimmung nach den Wünschen der Kunden anpassen. Wir fragen unsere Kunden auch, welche Suppe sie sich wünschen, und auf dieser Grundlage entwickeln wir Rezepte und üben manchmal das Kochen mit ihnen.
Wir erhalten von jedem der 3.000 Ramen-Läden, mit denen wir zusammenarbeiten, ein breites Spektrum an Rückmeldungen. Auf Grundlage dieser Informationen, gepaart mit der langjährigen Erfahrung und dem Wissen von Nishiyama Seimen, entwickeln wir dann bessere Rezepte.
Die Qualität des Mehls und eine alkalische Zutat, die sogenannte „Sole“, sind die Hauptfaktoren für die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen der Nudeln. Die Sole enthält Natrium- und Kalziumkarbonat, die für die einzigartige Textur und den Geschmack der Nudeln verantwortlich sind. Die Textur und der Geschmack der Nudeln hängen auch von der Salzmenge sowie von der Art, Zusammensetzung und Menge der Sole ab.
Die Sole ist ein wichtiger Faktor bei der Definition von Ramen, obwohl in Europa Udon-Nudeln manchmal als Ramen verkauft werden. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Definition von Ramen nicht richtig verstanden wird. In diesem Bereich halten wir Verbesserungen für notwendig. Wir glauben, dass die Grundvoraussetzung für die Bezeichnung Ramen ist, dass Sole verwendet wird. Diese Auffassung ist jedoch von Region zu Region unterschiedlich.

J-BIG: Werden die in der Versuchsküche entwickelten Nudeln in Japan hergestellt und dann importiert?
Seiji Higuchi: Alle Produkte werden derzeit in Sapporo hergestellt. Wir entwickeln den Geschmack in einer Testküche zusammen mit unseren Kunden und geben diese Informationen an unsere Fabrik in Sapporo weiter, wo die Nudeln dann produziert und nach Deutschland importiert werden. Es gibt jedoch Nachteile in Bezug auf Transportkosten und Zeit, und um dies zu verbessern, planen wir eine lokale Produktion in Düsseldorf. Konkret ist eine kleine Produktionslinie geplant, die ab 2026 eingerichtet werden soll.
Unser Plan ist es, mit kleinen Produktionsmengen zu beginnen und den Produktionsumfang entsprechend der Nachfrage schrittweise zu erhöhen. Mit der Aufnahme der lokalen Produktion in Düsseldorf sollen die Kosten gesenkt und die Versorgungssicherheit verbessert werden.
Der Betrieb hierzulande wird derzeit von vier Personen geführt. Obwohl wir ein kleines Team sind, hoffen wir, eine lokale Produktion aufzubauen, damit wir den europäischen Markt effizienter bedienen können.

J-BIG: Wie viele Restaurants in Europa bieten derzeit Nudeln von Nishiyama Seimen an?
Seiji Higuchi: Derzeit beliefern wir rund 60 Restaurants in Deutschland und rund 150 in ganz Europa. Zu unseren Hauptkunden in Deutschland gehören die zahlreichen Filialen von „Ramen Ippin“ und „S‘J-Ramen“ in Bielefeld und Osnabrück. „AOI“ und „Menya Ikko“ in München verwendet ebenfalls unsere Nudeln.
Außerhalb Deutschlands liefern wir auch in Großstädte in der Schweiz, Italien, Belgien, den Niederlanden und Spanien, wobei wir vor allem in Italien eine wachsende Kundschaft haben. In Italien gibt es derzeit etwa 15 Ramen-Läden, die viel mit uns zusammenarbeiten. Die Ramen in Italien sind von sehr hoher Qualität, die sich sogar im Vergleich zu Deutschland abhebt. Ich würde empfehlen, sie einmal zu probieren.

J-BIG: Der Import von Lebensmitteln aus Japan nach Europa ist in den letzten Jahren schwieriger geworden – steht Nishiyama Seimen vor ähnlichen Herausforderungen?
Seiji Higuchi: Derzeit werden alle Produkte in Sapporo hergestellt und Zutaten verwendet, die den EU-Vorschriften entsprechen, aber dieser Prozess ist sehr komplex und kostspielig. Die Logistik wurde insbesondere durch die Corona-Pandemie weltweit gestört.
Als die chinesischen Häfen aufgrund des Lockdowns geschlossen wurden, kamen die Container nicht mehr in Bewegung. Infolgedessen wurden unsere Container im Hafen von Rotterdam über einen langen Zeitraum aufgehalten, und außerdem EU-Einfuhrbeschränkungen für Lebensmittel eingeführt, was zu einem völligen logistischen Stillstand führte.
Der Rotterdamer Hafen stellte auf Remote Work um, so dass die Reaktion vor Ort nicht mithalten konnte und viele Container in der Warteschlange standen. Wir hatten etwa 15 Container, die ebenfalls blockiert waren. Darüber hinaus kosteten uns die Lagergebühren bis zu 500 Euro pro Tag, und einige Container standen bis zu neun Monate lang still, so dass wir enorme Verluste hinnehmen mussten – mit Gesamtkosten von 220.000 Euro. Zusätzlich zu diesen logistischen Unterbrechungen mussten die knappen Lagerbestände dringend per Luftfracht aus Japan herbeigeschafft werden, was ebenfalls eine große Belastung darstellte, da Lufttransporte extrem kostspielig sind.
J-BIG: Wie sehen Sie die Entwicklung des Ramen-Marktes in Deutschland und Europa in der Zukunft?
Seiji Higuchi: Der Ramen-Markt in Europa hat derzeit ein enormes Wachstumspotenzial. Wir stehen zwar erst am Anfang des Ramen-Booms, aber wenn man den Trends auf dem US-Markt Glauben schenken darf, hat der europäische Ramen-Markt das Potenzial, sich in Zukunft mindestens zu verzehnfachen.
So wie der Ramen-Boom in den USA auf die weite Verbreitung von Sushi folgte, wird die Etablierung von Sushi und japanischer Esskultur in Europa die weitere Verbreitung von Ramen fördern.
Ramen ist ein Gericht, das sehr stark mit der lokalen Esskultur verbunden ist. So wie es in Japan mehr als 200 lokale Ramen-Varianten gibt, hat Europa das Potenzial, seine eigenen lokalisierten Ramen zu kreieren. In Italien zum Beispiel gibt es „Carbonara-Ramen“, auch wenn sie noch nicht sehr verbreitet sind. So können neue Ramen-Kreationen entstehen, indem das Gericht mit der lokalen Esskultur verschmilzt.

J-BIG: Was sind Ihre Visionen und Ziele für den deutschen Markt?
Seiji Higuchi: Nishiyama Seimen hat einen ganz besonderen Hintergrund: Mehr als 90 Prozent der Grundschüler von Sapporo besuchen unsere Fabrik, wenn sie in der dritten Klasse sind. Während der Werksbesichtigung lernen sie, wie man Ramen herstellt. Das ist auch manchmal im Rahmen des Sozialkundeunterrichts prüfungsrelevant. Nach der Besichtigung werden die Kinder gebeten, Ramen mit nach Hause zu nehmen, und so sind alle, die in Sapporo aufgewachsen sind, mit Nishiyama Ramen vertraut.
Als Unternehmen verkaufen wir nicht nur Nudeln, sondern erhalten auch die Ramen-Kultur. Wir sind im Zuge der Entwicklung von Sapporo Ramen mit unseren Kunden zusammengewachsen und haben gemeinsam mit ihnen eine Vielzahl von Nudeln hergestellt. Daher fühlen wir uns von den Verbrauchern von Sapporo unterstützt und streben nicht nur nach Umsatz, sondern wollen die Ramen-Kultur auch in Europa wertschätzen und etablieren. Wenn wir nur ans Business denken würden, würden wir uns dafür entscheiden, unsere Nudeln an eine größere Anzahl von Kunden zu verkaufen. Aber wir möchten die dahinterliegende Kultur bewahren und so unser Geschäft in Deutschland und Europa weiterentwickeln.