Vor rund zehn Jahren entstand das japanische Unternehmen Medicaroid aus einer Zusammenarbeit zwischen Kawasaki Heavy Industries und Sysmex. Das Joint Venture, das von Yasuhiko Hashimoto und Kaoru Asano, den heutigen Präsidenten der beiden Unternehmen, ins Leben gerufen wurde, verbindet die Expertise von Kawasaki in der Robotik mit den medizinischen Innovationen von Sysmex. Das Ergebnis dieser Partnerschaft sind bedeutende Fortschritte auf dem Gebiet der chirurgischen Robotik in Japan. Derzeit bereitet Medicaroid die Markteinführung seines ersten Modells „hinotori“ vor – ein chirurgisches Robotersystem, dessen Name von einem Manga des berühmten Osamu Tezuka inspiriert wurde. J-BIG hatte die Gelegenheit, mit Tetsuya Nakanishi, dem Geschäftsführer von Medicaroid Europe, über die Anfänge des Unternehmens, die Entwicklung des hinotori und die Unterschiede zwischen dem japanischen und dem europäischen Markt zu sprechen.
J-BIG: Letztes Jahr feierte Medicaroid sein zehnjähriges Bestehen. Können Sie uns erzählen, wie das Unternehmen entstanden ist?
Tetsuya Nakanishi: Medicaroid entstand aus der Vision unseres Gründers Yasuhiko Hashimoto, die Robotik zu nutzen, um einen wesentlichen Beitrag zum Leben der Menschen zu leisten. Heute ist er Präsident von Kawasaki Heavy Industries und hat, beeinflusst durch seinen christlichen Glauben, das Leben der Menschen schon immer sehr geschätzt. Seine Karriere bei Kawasaki konzentrierte sich auf Industrieroboter und nachdem er eine Top-Management-Position erreicht hatte, sah er die Möglichkeit, seinen Traum zu verwirklichen. Er wandte sich an seinen Freund und ehemaligen Kollegen bei Kawasaki Heavy Industries, Kaoru Asano, jetziger Präsident des japanischen Medizintechnikunternehmens Sysmex, und sagte: „Die Zeit ist reif. Unser Traum kann Wirklichkeit werden.“
Gemeinsam riefen sie eine gemeinsame Forschungsgruppe von Kawasaki Heavy Industries und der Sysmex Corporation ins Leben, um das Potenzial von chirurgischen Robotern zu erforschen. Ich gehörte zu dieser Gruppe auf der Seite von Kawasaki. Japanische Unternehmen sind oft zurückhaltend und konzentrieren sich mehr auf die Diagnostik als auf die Behandlung. Aber wir fragten uns: „Warum sollten wir unsere Technologie nicht nutzen, um Leben zu retten?“ Diese Frage führte zur Gründung der Medicaroid Corporation mit dem Ziel, Chirurgieroboter zu entwickeln.
J-BIG: Kawasaki und Sysmex sind bekannte Unternehmen. Wie ergänzen sich ihre Kompetenzen im Rahmen des Medicaroid-Projekts?
Tetsuya Nakanishi: Kawasaki ist in der breiten Öffentlichkeit für seine Motorräder bekannt, aber das Unternehmen ist auch ein technologisches Powerhouse mit einer 150-jährigen Geschichte, insbesondere in der Robotik. Mit 50 Jahren Erfahrung im Bereich der Industrieroboter ist Kawasaki ein Pionier in diesem Bereich in Japan. Die umfassende Erfahrung bei der Erfüllung von Kundenwünschen, selbst in schwierigen Situationen, ist von unschätzbarem Wert.
Sysmex wiederum ist ein führender Anbieter von Gesundheitssystemenmit einer Präsenz in über 190 Ländern, nicht nur in Europa und Amerika, sondern auch in Afrika. Das Know-how ergänzt Kawasakis Robotik-Kompetenz.
Medicaroid bündelt die Stärken beider Unternehmen und verbindet die Bereiche Gesundheitswesen und Robotik zu innovativen medizinischen Lösungen.
J-BIG: Wie verlief Ihr persönlicher Werdegang?
Tetsuya Nakanishi: Ich begann meine Karriere bei Kawasaki als Motorradingenieur. Später wechselte ich in die Robotikabteilung, die zu dieser Zeit stark expandierte. Ich arbeitete an speziellen Roboterentwicklungsprojekten für Automobilunternehmen in Japan und den USA und später in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie. Obwohl ich auf meinem Weg Fehler machte, halfen mir diese Erfahrungen zu wachsen und die Bedürfnisse der Kunden besser zu verstehen und umzusetzen. Herr Hashimoto erkannte mein Fachwissen und beauftragte mich mit dem Aufbau von Medicaroid.
Ich verbrachte ein Jahr in der Forschungsgruppe, lernte die Terminologie für medizinische Geräte und nahm an fast 200 Operationen teil. Diese praktische Erfahrung war entscheidend für die Entwicklung der Spezifikationen für das, was später die Medicaroid Corporation werden sollte. Im Jahr 2015 wurde ich zum Projektleiter für chirurgische Roboter ernannt. Mein Team und ich entwickelten schnell einen Prototyp, der die Chirurgen beeindruckte. Nach drei Jahren, im Oktober 2018, wurde ich nach Deutschland versetzt. Wir erhielten die Genehmigung der japanischen Behörde für Arzneimittel und Medizinprodukte (PMDA), die uns die Gründung von Medicaroid Europe im Jahr 2020 ermöglichte.
J-BIG: Wie groß ist die Organisation und wie ist sie strukturiert?
Tetsuya Nakanishi: Weltweit beschäftigt Medicaroid 200 Mitarbeiter und Kawasaki Heavy Industries hat 100 Mitarbeiter ausschließlich für unser Produkt „hinotori“ abgestellt. Insgesamt sind also 300 Mitarbeiter mit diesem einen Produkt beschäftigt. Kawasaki kümmert sich um Technik, Produktion und Serviceteile im Zusammenhang mit der Robotertechnologie, während Medicaroid für klinische und medizinische Angelegenheiten, Vertrieb, Schulung und Systementwicklung zuständig ist. Die bei Operationen verwendeten Instrumente sind das Herzstück unseres Medizinprodukts und unser Entwicklungsteam arbeitet kontinuierlich an ihrer Verbesserung.
J-BIG: Warum hat sich das Unternehmen für Düsseldorf als Standort für seine europäischen Aktivitäten entschieden?
Tetsuya Nakanishi: Die japanische Zentrale hat lange überlegt, welcher Standort Ähnlichkeiten mit Japan aufweist. Wir haben uns für Deutschland entschieden, weil es kulturelle Ähnlichkeiten mit Japan gibt, insbesondere im Bereich des Handwerks, und weil Deutschland in medizinischen und operativen Bereichen weltweit führend ist. Von Deutschland aus können wir unser System in ganz Europa und dann in der gesamten EMEA-Region verbreiten.
Die Wahl fiel aus mehreren Gründen auf Düsseldorf. Erstens gibt es hier eine große japanische Community, die Möglichkeiten zur Vernetzung und viel Unterstützung bietet. Zweitens ist die zentrale Lage in Europa ein idealer Ausgangspunkt, um Kunden auf dem gesamten Kontinent zu erreichen. Drittens ist Düsseldorfs globales Geschäftsumfeld förderlich für Networking und die Anwerbung von Talenten.
J-BIG: Wann wurde hinotori in Japan eingeführt?
Tetsuya Nakanishi: Hinotori wurde im Dezember 2020 in Japan eingeführt. Wir hätten zwar sofort danach die europäische Zulassung beantragen können, haben uns aber entschieden, das System aufgrund des Feedbacks von Chirurgen, die es in Krankenhäusern eingesetzt haben, weiter zu optimieren. Japaner neigen dazu, nach Perfektion zu streben, und wir wollten sicherstellen, dass das System vor der Expansion vollständig perfektioniert ist. Jetzt bin ich davon überzeugt, dass hinotori eine bedeutende medizinische Innovation darstellt, und wir bereiten uns darauf vor, die Zulassung in Europa zu bekommen.
J-BIG: Wie viele hinotori-Modelle gibt es bereits auf dem japanischen Markt?
Tetsuya Nakanishi: Bis Juli 2024 haben wir hinotori in 61 Krankenhäusern in Japan installiert und bereits über 5.200 Eingriffe durchgeführt. In den ersten zwei bis drei Jahren nach der Markteinführung lag unser Schwerpunkt auf der Systemoptimierung, weshalb wir uns im Vertrieb bewusst zurückgehalten haben. Jetzt, da die Optimierung abgeschlossen ist, gehen wir den nächsten Schritt. Auch wenn 61 Installationen auf den ersten Blick nicht viel erscheinen, haben wir doch die wichtigsten Krankenhäuser mit dem Produkt erreicht.
J-BIG: Wann rechnen Sie mit der Einführung von hinotori in Europa, und was muss bis dahin noch getan werden?
Tetsuya Nakanishi: Es ist schwierig genau vorherzusagen, wann wir die Zulassung erhalten, aber wir sind zuversichtlich, was die Dokumentation unseres Systems angeht. Unser Ziel ist die Markteinführung Mitte 2025. In der Zwischenzeit müssen wir den Geschäftsbetrieb etablieren, auf Krankenhäuser zugehen und uns auf die Aktivitäten nach der Markteinführung vorbereiten, einschließlich der Überwachung nach der Markteinführung (PMS). Wenn wir das System auf den Markt bringen, müssen wir in den ersten sechs Monaten echte Sicherheitsdaten vorlegen, um die Vorschriften einzuhalten. Obwohl Mitte 2025 noch weit entfernt scheint, hat man das Gefühl, dass die Zeit rennt.
J-BIG: Lassen Sie uns über das hinotori System sprechen. Können Sie die Komponenten erklären?
Tetsuya Nakanishi: Das hinotori-System besteht aus mehreren Schlüsselkomponenten. Der Chirurg sitzt in einem Cockpit und steuert das Robotersystem, das neben dem Patienten arbeitet. Wenn der Chirurg den Eingriff vornimmt, bewegt sich das eigentliche Robotersystem neben dem Patienten, und zwei oder drei Assistenzchirurgen unterstützen dieses Robotersystem. Der Chirurg sitzt in der Steuereinheit und die Bewegung wird an das Robotersystem übertragen. Das System hat vier Arme, von denen einer eine Kamera hält, die durch einen kleinen Einschnitt in den Körper eingeführt wird. Durch diesen minimalinvasiven Ansatz wird die Belastung für den Patienten verringert. Der Chirurg sieht das Innere des Körpers durch einen 3D-Viewer. Ein anderer Roboterarm hält den Forceps – so nennen wir dieses Instrument, das sowohl ein Schneidegerät als auch ein Greifwerkzeug ist. Der Chirurg kann durch die Kamera sowohl den Körper als auch seine eigenen Hände sehen, was es ihm ermöglicht, den Forceps präzise im Körper zu bewegen.
Es ist wichtig zu erwähnen, dass dieses System ein Hilfsmittel ist und nicht den Chirurgen ersetzt. Deshalb sage ich auch nicht gerne „Roboterchirurgie“. „Robotergestützte Chirurgie“ ist die richtige Formulierung. Wir ersetzen den Menschen nicht, wir unterstützen nur seine Fähigkeiten und Fertigkeiten.
J-BIG: Das Cockpit ist physisch unabhängig von der Robotereinheit. Das heißt, der Chirurg kann auch von einem anderen Ort aus arbeiten. Die Idee einer Operation aus der Ferne ist nicht nur ein Traum, sondern etwas, mit dem Sie in Japan bereits experimentiert haben, richtig?
Tetsuya Nakanishi: Ja, das Cockpit kann überall platziert werden und muss nicht unbedingt im selben Operationssaal stehen. In Zukunft ist es möglich, das System über eine drahtlose Verbindung zu verknüpfen, damit ein Chirurg in Japan zum Beispiel einen Patienten in Europa operieren kann. Wir haben bereits Experimente durchgeführt, bei denen Japan und Singapur miteinander verbunden wurden, aber im Moment wird das System hauptsächlich im selben Operationssaal eingesetzt, mit einem Chirurgen am Cockpit und einer Robotereinheit.
J-BIG: Was wären die Herausforderungen bei einem weltweit vernetzten System? Ist es die Geschwindigkeit der Internetverbindung oder gibt es ein gewisses Risiko, wenn der Chirurg nicht im selben Raum ist?
Tetsuya Nakanishi: Technologisch funktioniert das schon, aber das regulatorische Umfeld ist die größte Herausforderung. Wenn ein Chirurg einen Eingriff aus der Ferne durchführt und etwas schief geht, wer ist dann verantwortlich? Das ist eine Frage der Gesetzgebung. Eine weitere Herausforderung ist die Cybersicherheit. Wenn die Internetverbindung unterbrochen wird, könnte die Operation abgebrochen werden, was die Frage aufwirft, wie man in einer solchen Situation vorgehen soll.
J-BIG: In den USA haben einige Chirurgen nur eine Zulassung für bestimmte Regionen, also zum Beispiel eine Zulassung für New York. Aber es ist nicht ohne weiteres möglich, dass sie einen Patienten operieren, der sich zur gleichen Zeit in Kalifornien befindet. Gilt ihre Lizenz in diesem Fall oder nicht?
Tetsuya Nakanishi: Lizenzfragen sind in der Tat ein Hindernis für Fernoperationen. Es hängt von der Lizenz ab. Ein Chirurg, der in New York zugelassen ist, könnte zum Beispiel die Fähigkeiten haben, einen Patienten in Kalifornien zu operieren, aber rechtliche und regulatorische Einschränkungen verhindern dies derzeit. Diese Vorschriften können zwar als Innovationshemmnis betrachtet werden, sind aber gleichzeitig auch notwendig, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten.
J-BIG: Welche Schritte wurden in Europa seit der Zulassung des Produkts in Japan unternommen und was muss noch passieren, um diese Zulassung auch für Europa zu erhalten?
Tetsuya Nakanishi: Der erste Schritt ist die Einhaltung von Vorschriften, insbesondere der Prozess zum Erhalt der CE-Kennzeichnung. Ich glaube aber, dass die größte Herausforderung darin besteht, die Geschäftsinfrastruktur zu schaffen. Dazu gehört die Schaffung von guten Rahmenbedingungen für Schulung, Ausbildung, Vertrieb, Service und Logistik. Auch die sichere Weitergabe von Sicherheitsinformationen, die so genannte Vigilanz, von den Krankenhäusern an den japanischen Hersteller ist entscheidend.
J-BIG: Wie ist der Medizinmarkt in Japan im Vergleich zu dem in Deutschland?
Tetsuya Nakanishi: Beide Länder haben ein gutes Gesundheitssystem. Der medizinische Rahmen ist also im Grunde derselbe. Allerdings sind die Krankenversicherungssysteme, das Umfeld und die Marktdynamik sehr unterschiedlich. In Japan werden Chirurgen oft als fast unzugänglich angesehen, was es schwierig macht, offene Diskussionen mit ihnen zu führen. In Deutschland haben wir eine gleichberechtigtere Beziehung zu den Chirurgen, was zu einer effizienteren Kommunikation führt.
Es gibt auch einen kulturellen Unterschied in der Philosophie, wie Roboter wahrgenommen werden. Normalerweise sind Roboter für westliche Menschen alles andere als menschlich und werden schnell als Feind wahrgenommen, vielleicht wegen Filmen wie „Terminator“. In Europa hat man das Gefühl, dass Roboter uns die Arbeitsplätze wegnehmen können. Die Japaner haben aber eine ganz andere Sichtweise. Es gibt viele Anime und Manga, in denen der Roboter ein Freund ist. Roboter können deine Arbeit verbessern, und unser Robotersystem ist genau so.
J-BIG: Der Chirurg ist der Nutzer Ihres Produkts. Wer ist der primäre Käufer des hinotori-Systems?
Tetsuya Nakanishi: Der Chirurg ist der wichtigste Entscheidungsträger. Sobald der Chirurg von dem Wert des Systems überzeugt ist, kann er die Krankenhausleitung davon überzeugen, in das System zu investieren. Der Chirurg ist zwar unser Hauptkunde, aber auch die Beschaffungs- und Managementteams der Krankenhäuser sind wichtig. Da der Bereich der chirurgischen Robotik noch jung ist, wird die medizinische Community eine entscheidende Rolle bei der Festlegung von Vorschriften und Zulassungen für verschiedene Robotersysteme spielen.
J-BIG: Wenn wir uns die Rollen der Düsseldorfer und der japanischen Seite bei Medicaroid ansehen: Wie unterscheiden sich die Rollen der Düsseldorfer und der japanischen Teams? Werden sich die Produkte zwischen den Regionen technologisch unterscheiden?
Tetsuya Nakanishi: Die gesamte Produktion findet in Japan statt. Weltweit ist die wichtigste Anforderung die Sicherheit, aber einige der chirurgischen Verfahren haben in jedem Land einen anderen Ansatz. Deshalb sind wir dafür verantwortlich, mit den Chirurgen zu kommunizieren und ihre Anforderungen zusammenzufassen. Hier im europäischen Team übersetzen wir die Meinung der Chirurgen in technologische Terminologie und technische Spezifikationen. Wir werden auch einige Machbarkeitsstudien in Europa durchführen, deshalb haben wir hier Ingenieure. Schließlich aktualisieren wir die Anforderungen des Chirurgen und bitten Japan, diese Funktion in unserem System zu implementieren. Danach wird das System in der japanischen Entwicklungsabteilung offiziell produziert und entwickelt. Normalerweise haben viele japanische Unternehmen ein so genanntes „Hansha“, was so viel wie Vertriebsbüro bedeutet. Medicaroid Europe ist nicht nur ein „Hansha“, sondern wir sind auch für die Schulung, die Ausbildung, das Auffrischen der Marktanforderungen und die regulatorischen Angelegenheiten sowie für die Geschäftsentwicklung zuständig.
J-BIG: Können Sie ein Beispiel für eine spezifische Nachfrage von europäischen Chirurgen nennen, die sich von der in Japan unterscheidet?
Tetsuya Nakanishi: Sicherlich. Ein Beispiel ist die Art des Trokars, der bei Operationen verwendet wird. Ein Trokar ist ein Schaft, der in den Körper des Patienten eingeführt wird, um das Einführen von chirurgischen Instrumenten zu erleichtern. In Japan bevorzugen Chirurgen und der Markt im Allgemeinen Einweg-Trokare, weil sie der Meinung sind, dass die Verwendung eines neuen Trokars für jede Operation am sichersten ist. In Europa hingegen ist die Nachhaltigkeit ein zentrales Anliegen. Die europäischen Chirurgen bevorzugen in der Regel wiederverwendbare Trokare, die ihrem Engagement für die Reduzierung von Abfall und Umweltbelastung entsprechen.
J-BIG: Gibt es Aspekte oder Perspektiven aus Europa, die dem Hauptsitz in Japan nur schwer zu vermitteln sind? Welche Arten von Themen sind schwierig zu erklären?
Tetsuya Nakanishi: Eine große Herausforderung ist die unterschiedliche Integration der Roboterchirurgie in die Gesundheitssysteme. In Japan werden robotergestützte Operationen von der Versicherung übernommen, was die Verwendung von Instrumenten wie Forceps durch die Chirurgen beeinflusst. Japanische Chirurgen verwenden in der Regel beide Hände, um eine Nadel beim Nähen zu halten. Im Gegensatz dazu verwenden europäische Chirurgen oft eine Hand für den Nadelhalter und die andere für eine andere Aufgabe, um den Einsatz teurer Instrumente effizienter zu machen. Diese Praxis erfordert eine genaue Einweisung in die Bedienung des Nahtgeräts, die sich in den beiden Regionen erheblich unterscheidet. Die Vermittlung dieser Nuancen kann ohne direkte Beobachtung und Interaktion mit europäischen Chirurgen schwierig sein.
Eine weitere Herausforderung ist der Fokus auf die Operationszeit in Europa. In europäischen Krankenhäusern werden Operationen oft nach ihrer Dauer abgerechnet, so dass man sehr darauf bedacht ist, die Verfahren schnell abzuschließen und gleichzeitig die Sicherheit zu gewährleisten. In Japan ist der Druck, die Operationszeit zu verkürzen, nicht so groß, was eine entspanntere Terminplanung ermöglicht. Normalerweise führen japanische Krankenhäuser zwei bis drei Roboteroperationen pro Tag durch, während in Europa fünf Operationen pro Tag üblich sind. Diesen Unterschied dem japanischen Hauptsitz zu vermitteln, wo das Tempo langsamer ist, kann auch eine Herausforderung sein.
J-BIG: Gibt es Dinge, die Sie spät entdeckt haben und von denen Sie wünschten, Sie hätten sie früher gewusst? Welchen Rat würden Sie einem medizinischen Unternehmen geben, das gerade erst in Europa anfängt?
Tetsuya Nakanishi: Eine wichtige Lektion ist die Bedeutung einer effektiven Kommunikation zwischen den europäischen und japanischen Teams. Die japanische Kultur ist eher indirekt, während die europäische Kommunikation direkter ist. Bei Diskussionen vermeiden es japanische Teilnehmer beispielsweise oft, Meinungsverschiedenheiten offen zu äußern, was zu Missverständnissen führen kann. Im Gegensatz dazu sagen Europäer eher: „Ich glaube nicht“, was dazu beiträgt, Probleme schnell zu erkennen und zu lösen.
Dieser Unterschied kann zu Verzögerungen führen, weil japanische Teammitglieder möglicherweise ihre eigenen Ideen vorantreiben, ohne Meinungsverschiedenheiten offen zu diskutieren und erst später feststellen, dass Anpassungen erforderlich sind. Wir haben gelernt, direkte Ja-oder-Nein-Fragen zu stellen, um sicherzustellen, dass alle auf derselben Seite stehen. Dieser Ansatz hat unsere Kommunikation und Effizienz erheblich verbessert und ist ein Ratschlag, den ich jedem Unternehmen, das eine interne interkulturelle Zusammenarbeit anstrebt, wärmstens empfehlen würde.