HORIBA, ein japanischer Hersteller von Mess- und Analyselösungen, wurde kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet und entwickelte sich schnell zu einem führenden Anbieter von Emissionsmessgeräten für die Automobilindustrie in den USA und Europa. Seitdem hat HORIBA sein Produktportfolio kontinuierlich erweitert und bietet heute Messlösungen für eine Vielzahl von Branchen an. J-BIG sprach mit Hiroyuki Urabe, Präsident der HORIBA Europe GmbH, und Ergin Cansiz, COO von HORIBA Europe, darüber, wie HORIBA zu einem analytischen Unternehmen wurde, die Entwicklung des Geschäfts in Deutschland, wie das Unternehmen von den Veränderungen in der hiesigen Automobilindustrie beeinflusst wird und was es zu einem typischen Kyotoer Unternehmen macht.
J-BIG: Was ist die Geschichte von HORIBA und wie hat sich das Unternehmen im Laufe der Zeit entwickelt?
Hiroyuki Urabe: Der Hauptsitz von HORIBA wurde im Oktober 1945 in Kyoto, Japan, unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zunächst als Forschungslabor mit dem Namen HORIBA RADIO LABORATORY gegründet. Zu dieser Zeit war unser Gründer, Dr. Masao Horiba, noch Student im Hauptfach Kernphysik. Als die US-Streitkräfte alle Forschungen verboten, die als potenziell „gefährlich“ galten, musste er sein Studium aufgeben und beschloss, stattdessen ein Unternehmen zu gründen, das sich auf chemische Produkte konzentriert. Das erste Produkt des HORIBA RADIO LABORATORY war ein elektrischer Kondensator. Kyoto ist sehr heiß und feucht, vor allem im Sommer. Da das Wetter stark schwankt, brauchte man, um die Qualität des Kondensators zu erhalten, ein pH-Messgerät – etwas, das im Nachkriegsjapan zu dieser Zeit fehlte. Also beschloss Dr. Masao Horiba in Vorbereitung auf das Kondensatorgeschäft, selbst einen Prototyp zu bauen. Das Kondensatorgeschäft hielt nicht lange an, aber das pH-Meter wurde ein großer Erfolg, weil die japanische Chemieindustrie politisch stark unterstützt wurde, um den wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Krieg anzukurbeln, und weil es einen Bedarf an qualitativ hochwertigen industriellen Messgeräten zu niedrigen Kosten gab. 1950 begann Dr. Masao Horiba mit dem ersten einheimischen pH-Meter mit Glaselektroden ein neues Geschäft im Bereich der pH-Messung. HORIBA wurde somit zu einem analytischen Unternehmen und am 28. Januar 1953 gründete Dr. Horiba die HORIBA, Ltd.
Während HORIBA seine pH-Meter weiter verbesserte, begann das Unternehmen mit der Entwicklung von nicht-dispersiven Infrarot-Gasanalysatoren (NDIR). Anfangs wurde die Technologie für Gasanalysatoren im medizinischen Bereich eingesetzt, um den Zustand der menschlichen Lunge zu überprüfen, die im Nachkriegsjapan für viele Menschen eine Krankheitsursache war.
In den frühen 1960er Jahren führte einer unserer Ingenieure die Technologie von HORIBA in die Abgasuntersuchung von Kraftfahrzeugen ein. Anfänglich zögerte Dr. Horiba, eine medizinisch orientierte Technologie in der Automobilindustrie einzusetzen, weil er es als „unpassend“ empfand, war aber bald davon überzeugt, dass es dem Geist des Unternehmens entsprach, neue Herausforderungen anzunehmen, um einen positiven Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Infolgedessen entwickelte HORIBA den MEXA-Analysator für die Abgasuntersuchung von Kraftfahrzeugen unter Verwendung der Technologie medizinischer Gasanalysatoren. Schon bald führte die US EPA (Environmental Protection Agency) unsere Geräte in den Markt für Emissionskontrolle ein, was zu einem großen internationalen Erfolg auf dem Automobilmarkt führte, und der MEXA-Analysator etablierte sich als Weltstandard für Abgasuntersuchungen.
J-BIG: Was waren die ersten internationalen Schritte von HORIBA nach diesem Ereignis?
Hiroyuki Urabe: Wir wurden in den 1960er Jahren in der Automobilindustrie stark und konnten in den US-amerikanischen und europäischen Markt eintreten, die damals eine viel größere Automobilindustrie hatten als Japan. Der erste Schritt war der Export des Emissionsanalysators in die USA. Unsere Hauptkunden waren die EPA und große Automobilhersteller. Im Jahr 1970 wurde der Hauptsitz in den USA gegründet, was den Beginn unserer Aktivitäten im Ausland markierte.
J-BIG: Wie hat HORIBA in Deutschland angefangen?
Hiroyuki Urabe: Deutschland ist ein starker Markt mit vielen Automobilherstellern. Deshalb haben wir in Deutschland schon früh begonnen, indem wir 1972 den Hauptsitz von HORIBA Europe in Steinbach bei Frankfurt als unsere erste europäische Tochtergesellschaft gegründet haben. Die deutsche Tochtergesellschaft war nach den USA unsere zweite Auslandsniederlassung außerhalb Japans. Von Anfang an beschäftigte das Unternehmen etwa 50 Mitarbeiter und fungierte hauptsächlich als Vertriebsbüro, das Produkte wie den Emissionsanalysator aus Japan importierte und auf dem europäischen Markt verkaufte.
J-BIG: Was sind Ihre persönlichen Hintergründe mit dem Unternehmen?
Hiroyuki Urabe: Ich trat 1986 direkt nach meinem Universitätsabschluss als Ingenieur in das R&D-Team von HORIBA ein. Nach drei Jahren in der Softwareentwicklung hatte ich die Möglichkeit, als Softwareingenieur in die USA zu gehen. Von 1992 bis 1999 arbeitete ich dann in Deutschland, wo ich für den Service zuständig war. Das ist über 25 Jahre her – eine Zeit vor Mobiltelefonen und Navigationssystemen – und ich bin mit dem Auto durch Deutschland gefahren und habe Kunden besucht, die nur Deutsch sprachen. Das war ein ziemliches Abenteuer. Als ich 1999 nach Japan zurückkehrte, wechselte ich von der Abteilung für Forschung und Entwicklung in die Abteilung für internationalen Vertrieb. Im Jahr 2014 zog ich nach Südkorea und verbrachte acht Jahre als Präsident von HORIBA Südkorea, bevor ich 2022 als Direktor von HORIBA Europa und ab November 2023 als Präsident von HORIBA Europa nach Deutschland zurückkehrte.
Ergin Cansiz: Ich kam 2013 zu HORIBA als Betriebsleiter für den Geschäftsbereich Mechatronik, in dem wir eine Vielzahl von Mobilitätslösungen herstellen, die nicht nur lokal, sondern auch weltweit vertrieben werden, zum Beispiel nach Südkorea. Dort lernte ich Herrn Urabe kennen, der damals noch in Südkorea tätig war. Während der Corona-Krise im Jahr 2020 wurde ich in den Vorstand von HORIBA Europe berufen. Und seit Herr Urabe nach Deutschland kam, haben wir eng zusammengearbeitet und sind enge Kollegen geworden.
J-BIG: Wie hat sich das Geschäft in Deutschland in den letzten 50 Jahren entwickelt?
Hiroyuki Urabe: Seit HORIBA vor über 50 Jahren nach Deutschland kam, sind wir erheblich gewachsen. Wir haben als Vertriebsbüro angefangen, aber da die Produkte, die wir verkaufen, Geräte für Spezialisten sind, haben wir beschlossen, auch unsere technische Kompetenz in Deutschland aufzubauen. So haben wir Schritt für Schritt Mitarbeiter für die Entwicklungs- und Serviceteams rekrutiert.
Ergin Cansiz: 2005 wurde ein wichtiger Meilenstein erreicht: Mit der Übernahme von SCHENCK Development Test Systems in Darmstadt konnte das Unternehmen seine Mechatronik-Kompetenz für die Automobilbranche ausbauen. Ziel der Akquisition war es, Systemanbieter für einen kompletten Prüfstand zu werden, da in der Fahrzeugentwicklung und -erprobung der Bedarf an integrierten Testsystemen für das gesamte Fahrzeug inklusive Motor und Antrieb entstanden war. Um dieser Marktanforderung gerecht zu werden, mussten wir unser Portfolio um Prüfstands-Engineering und Software-Kompetenz für das Automatisierungssystem erweitern, welche wir damals bei SCHENCK fanden, und wurden schließlich zum Systemanbieter für komplette Prüfzellen, der eine große Bandbreite an Lösungen für das gesamte Spektrum der automobilen Forschung, Entwicklung und Erprobung bietet. Wir beliefern mit unseren Lösungen einen breiten Kundenstamm, der sowohl Automobil-OEMs (Original Equipment Manufacturers) als auch Tier-1- und Tier-2-Unternehmen umfasst.
J-BIG: Was konnten Sie mit der größeren Testumgebung, die Sie durch die Übernahme erhalten haben, außer Emissionen noch testen?
Ergin Cansiz: Durch die Übernahme war HORIBA endlich in der Lage, Prüfsysteme für Bremsen, Getriebe, Achsen, Motoren, Windkanalwaagen und so weiter, zu entwickeln.
Spätere Übernahmen haben unser Portfolio weiter vergrößert: Mit der Übernahme von FuelCon im Jahr 2018 für unser Wasserstoffgeschäft konnten wir Testsysteme für Batterien, Brennstoffzellen und Elektrolyseure hinzufügen, gefolgt von Tocadero im Jahr 2019 mit Wasseranalyse und dann BeXema im Jahr 2021 für Leistungselektronik für Batterie-, Brennstoffzellen- und Elektrolyseanwendungen.
J-BIG: Wie hat sich HORIBA in Deutschland in Bezug auf die Standorte entwickelt?
Hiroyuki Urabe: Mit den Akquisitionen haben wir die Anzahl unserer Büros erhöht. Wir haben jetzt 6 große Standorte in Deutschland: Der erste, unser Hauptsitz, ist in Oberusel, wohin wir 2003 von Steinbach umgezogen sind. Dann gibt es einen in Darmstadt, einen in Stuttgart-Neuhausen, ein Werk in Leichlingen bei Düsseldorf und ein Werk in Magdeburg mit 300 Mitarbeitern, das mit der Übernahme von FuelCon Teil von HORIBA wurde, sowie das Büro HORIBA Tocadero in Berlin für unser Wasseranalysegeschäft.
J-BIG: Da sich die Automobilindustrie auf das Ziel der Null-Emissionen durch Elektrofahrzeuge zubewegt, sinkt die Notwendigkeit, Emissionen zu messen. Wie reagiert HORIBA auf diese Veränderungen?
Hiroyuki Urabe: Das Automobilgeschäft ist natürlich eine große Säule unseres Geschäfts, insbesondere in Deutschland. Unser Portfolio ist aber im Laufe der Jahre immer vielfältiger geworden und wir bieten unseren Kunden Mess- und Analysetechnologien in mehreren Branchen an. Aber auch in unserem traditionellen Mechatronik-Geschäft haben wir das Produktportfolio komplett umgestellt. Während das Emissionsgeschäft allmählich zurückgehen wird, wächst das Mechatronik-Geschäft selbst. Elektroautos haben viele Gemeinsamkeiten mit ihren Cousins mit Benzinmotor: Sie brauchen Bremsen, Getriebe, Sicherheitssysteme und vieles mehr. Wir stellen Prüfsysteme her, die mit der Elektromobilität zu tun haben, und wir können davon ausgehen, dass diese auf absehbare Zeit sehr gefragt sein werden.
Ergin Cansiz: Im Moment besteht noch eine große Nachfrage nach Emissionsmessungen. Daher ist es nach wie vor ein wichtiger Teil unseres Geschäfts, die Automobilindustrie mit unserer Technologie auf dem Weg zu Null-Emissionen zu unterstützen. Wie man sieht, steigt mit dem Ziel der Emissionsfreiheit auch das Bewusstsein für Umweltfragen, was zu einem erhöhten Interesse an Kontrollen führt. Solange es Entwicklung gibt, wird es immer die Notwendigkeit von Tests und Messungen geben. Wir sind hauptsächlich Zulieferer für Forschung und Entwicklung, und Forschung und Entwicklung bedeutet, dass heute entwickelt wird, was morgen gebraucht wird. Da wir eng mit der Entwicklung verbunden sind, entwickeln wir uns gemeinsam mit der Industrie weiter und bereiten uns auf die Zukunft vor.
Der interessante Teil des Wandels ist, dass neue Entwicklungen neue Geschäftsmöglichkeiten mit sich bringen: Zusammen mit der neuen Technologie entstehen neue Unternehmen und damit auch potenzielle Kunden. Dies schafft viele Möglichkeiten für HORIBA, wie zum Beispiel die neuen chinesischen Automarken und Hersteller, die auf den Markt kommen.
J-BIG: Worauf wird sich HORIBA in Deutschland in den nächsten Jahren konzentrieren?
Hiroyuki Urabe: In den nächsten Jahren werden wir uns auf drei Hauptgeschäftsfelder konzentrieren: Energie & Umwelt, Bio & Healthcare und Materialien & Halbleiter. Deutschland ist ein großer Markt für unser Umweltgeschäft. Das Unternehmen bietet Analyse- und Messgeräte für die Luft- und Wasserqualität an. Unsere Kunden im Umweltbereich kommen von der Regierung oder sind produzierende Unternehmen mit großen Fabriken. In industriellen Prozessen werden unsere Geräte zum Beispiel zur Überwachung der Gas- und Wasserqualität in Fabriken und Kraftwerken eingesetzt.
Ein weiterer großer Bereich für Deutschland ist das Halbleitergeschäft. Wir liefern Fluidkontrollsysteme und Geräteinspektionssysteme für Halbleiterfertigungsanlagen, die eine präzise Prozesskontrolle ermöglichen und zur stabilen Produktion von Hochleistungshalbleitern beitragen. Der Halbleiterprozess erfordert zum Beispiel hochreines Wasser oder die Kontrolle der chemischen Konzentration, die mit unseren Geräten analysiert wird. Unsere Kunden in diesem Bereich sind Halbleiter-OEMs und chemische Anlagen.
J-BIG: Welche Rolle spielt Deutschland aus Sicht der Zentrale und wie groß ist der deutsche Markt für das Unternehmen insgesamt?
Hiroyuki Urabe: HORIBA hat insgesamt 49 Konzerngesellschaften in 28 Ländern der Welt. Die deutsche Tochtergesellschaft wurde schon sehr früh gegründet und war immer ein Kernstück der Gruppe. Selbst jetzt, wo sich die Automobilindustrie verändert und andere Branchen wachsen, ist HORIBA in Deutschland aus Sicht der Zentrale sehr gut aufgestellt. Das Halbleitergeschäft wächst, und auch das Umweltgeschäft sowie Bio & Healthcare sind stabile Märkte in Deutschland.
Ergin Cansiz: Deutschland hat für das internationale Geschäft von HORIBA schon immer eine große Rolle gespielt. Es ist nicht nur der deutsche Markt, sondern als HORIBA Europe bedienen wir das Automobilgeschäft in vielen Ländern. HORIBA beschäftigt weltweit über 8.000 Mitarbeiter. Mit 800 Mitarbeitern in Deutschland sind wir sicherlich eine der großen Einheiten im Konzern. Der weltweite Gesamtumsatz von HORIBA liegt bei rund 2 Milliarden Euro.
J-BIG: Welche Art von Beziehung besteht zur japanischen Zentrale?
Hiroyuki Urabe: Als juristische Einheit sind wir frei, unsere eigenen Entscheidungen zu treffen, und da die deutsche Tochtergesellschaft eine lange Geschichte hat, besteht ein starkes Vertrauensverhältnis zur japanischen Zentrale. Zweimal im Jahr haben wir ein großes globales Treffen, bei dem alle wichtigen Leute aus den Konzernunternehmen zusammenkommen und die Strategie von HORIBA besprechen sowie Pläne und konkrete Ziele für das Jahr festlegen.
Ergin Cansiz: Am Anfang haben wir Produkte aus Japan verkauft, aber da Deutschland schon immer stark in der Entwicklung war, verkaufen wir jetzt eine Mischung aus japanischen Produkten, die an die lokalen Bedürfnisse angepasst sind, und Produkten, die von HORIBA in Deutschland hergestellt werden und die wir auch in andere Länder exportieren.
Hiroyuki Urabe: Wir haben insgesamt 20 Forschungs- und Entwicklungszentren auf der ganzen Welt, darunter eines in Darmstadt, Deutschland. Alle Standorte produzieren und exportieren ihre eigenen Produkte. Um Produktüberschneidungen oder einen Mangel an Produkten in unserem Portfolio zu vermeiden, arbeiten wir eng zusammen und halten uns gegenseitig auf dem Laufenden. Wir haben globale Produktplanungsgruppen, die zusammenkommen, um Markttrends und Produktideen zu diskutieren und zu bestimmen, welche Art von Produkten in einem bestimmten Zeitraum entwickelt werden müssen.
J-BIG: Welche Rolle spielt die japanische Geschäftskultur in Ihrem Unternehmen?
Ergin Cansiz: Obwohl ich viel Erfahrung mit der Arbeit in verschiedenen internationalen Umgebungen habe, gab es für mich als Nicht-Japaner viele Dinge, die mir anfangs fremd waren. Aber als ich mich an die Unterschiede gewöhnte und mehr über die japanische Geschäftskultur lernte, begann ich auch viele der japanischen Werte zu schätzen.
Es gibt drei Hauptunterschiede in der Geschäftskultur, die mir sofort ins Auge fallen. Einer besteht darin, dass in japanischen Unternehmen im Vergleich zu anderen internationalen Unternehmen viel länger über Dinge diskutiert wird, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Aber einmal getroffene Entscheidungen werden nicht so leicht geändert, weil die Bindung an sie stärker ist.
Der zweite wirklich japanische Aspekt von HORIBA ist, dass die Mitarbeiter sehr lange für das Unternehmen arbeiten. Aber nicht nur die Mitarbeiter, auch als Arbeitgeber schenkt HORIBA seinen Mitarbeitern ein Höchstmaß an Loyalität. Und das ist der dritte Unterschied, der mir im Laufe der Jahre aufgefallen ist. Im Allgemeinen entlassen japanische Unternehmen ihre Mitarbeiter nicht, nur weil das Unternehmen Probleme hat. Nur in den allerschlimmsten Fällen müssen wir Leute entlassen, aber nur als letzten Ausweg. Das ist anders als in anderen Arbeitskulturen, in denen Entlassungen oft als schnelle „Lösung“ angesehen werden. Bei uns ist sie immer die allerletzte Option. Diese Loyalität ist etwas, das HORIBA und seine Mitarbeiter verbindet.
Hiroyuki Urabe: Ich denke, dass sowohl die japanische Geschäftskultur als auch der internationale Charakter von HORIBA einen starken Einfluss auf das Unternehmen haben. HORIBA passt sich immer an die Kultur der verschiedenen Standorte an. In Japan zum Beispiel werden Entscheidungen sehr sorgfältig überlegt, es wird viel Zeit in die Vorbereitung investiert und Pläne werden strikt eingehalten. In den USA geht es viel dynamischer zu, mit viel Trial-and-Error. Meiner Ansicht nach liegt Deutschland in der Mitte zwischen diesen beiden Kulturen. Jede Kultur hat ihre eigenen Stärken und wir lernen voneinander.
Was ich an HORIBA sehr japanisch finde, ist, dass das Unternehmen die Verantwortung für jeden Schritt und jede Entscheidung übernimmt. In der japanischen Denkweise werden Entscheidungen von vielen Parteien sorgfältig erwogen, so dass sich das gesamte Unternehmen wie ein großes Team fühlt. Das hat zur Folge, dass nie eine einzelne Abteilung für Schwierigkeiten verantwortlich gemacht wird, mit denen das Unternehmen konfrontiert ist.
Unser Firmenmotto lautet „Freude und Spaß“, auf Japanisch „Omoshiro-Okashiku“, basierend auf den persönlichen Erfahrungen unseres Gründers, Dr. Horiba. Er sagte mir einmal, dass wir jeden Tag so viel Zeit bei der Arbeit verbringen, dass es eine Verschwendung wäre, diese Zeit nicht zu unserem Vorteil zu nutzen und zu genießen, was wir tun. Wir sollten Spaß haben, kreativ sein und uns selbst herausfordern. Wenn wir Spaß an der Arbeit haben, sind wir motiviert und die Ergebnisse werden besser. Das ist die Art von Arbeitsplatz, die HORIBA schon immer war.
J-BIG: Da Ihr Unternehmen seinen Ursprung in Kyoto hat, gibt es etwas in Ihrer Unternehmensphilosophie, das Sie als typisch für Kyoto bezeichnen würden?
Hiroyuki Urabe: Unternehmen in Kyoto neigen dazu, sich zu spezialisieren und einzigartige Marken zu schaffen, die keine Duplikate haben. Als Kyotoer Unternehmen haben wir natürlich auch eine ganz eigene Positionierung. Um ein Beispiel zu nennen: Als HORIBA mit der Entwicklung von nicht-dispersiven Infrarot-Gasanalysatoren begann, wurde der Bereich der Gasanalyse noch von der Gaschromatographie dominiert, und NDIR war unbekannt. Die Weitsicht, die Fähigkeiten von NDIR als kontinuierliche Gasanalysemethode einzusetzen, war eine innovative Lösung und der Schlüssel zur Verwirklichung der heutigen HORIBA-Gruppe. Heute setzen wir NDIR kontinuierlich in verschiedenen Anwendungsprozessen ein, z. B. in der Aspirationsgasanalyse, der Analyse von Autoabgasen und der Überwachung der Luftverschmutzung.
Um authentisch zu bleiben und weiterhin einzigartige Lösungen zu entwickeln, haben wir das Konzept „HONMAMON“ in unsere Unternehmenskultur aufgenommen, das vom japanischen Wort „Honmono“ abgeleitet ist, das authentisch bedeutet und ein Ausdruck aus Kyoto für höchste Authentizität ist. Diese Authentizität entsteht aus echter Neugierde und Leidenschaft und berührt die Herzen der Menschen. HONMAMON kann Menschen, ihre Handlungen und Bestrebungen und alles, was aus der ständigen Suche nach etwas Besserem entsteht, beschreiben. Dieses Konzept ist der wesentliche Ausgangspunkt, von dem aus wir uns jeder Herausforderung stellen, um etwas Einzigartiges und Authentisches zu schaffen.
Ergin Cansiz: Unsere Unternehmensphilosophie richtet sich nicht nur an das Top-Management, sondern wir wollen das gesamte Unternehmen auf diese Reise mitnehmen, um etwas Authentisches zu schaffen. Wir ermutigen unsere Mitarbeiter, ihre eigene Bedeutung hinter dem Wort HONMAMON zu finden. Wir veranstalten zum Beispiel Philosophie-Workshops, an denen jeder teilnehmen und unsere Philosophie diskutieren kann. Wir wollen ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem sich jeder wohlfühlt und seinen Beitrag leisten kann.
Wir haben auch ein internes Verbesserungsprogramm namens BlackJack Project, das 1997 ins Leben gerufen wurde. Es handelt sich um eine Bottom-up-Initiative, da wir der Meinung sind, dass ein Unternehmen nur dann kreativ sein kann, wenn sich alle daran beteiligen. Jeder HORIBA-Mitarbeiter kann ein BlackJack-Projekt zur Verbesserung einreichen, das sich auf die Unternehmenskultur, den Verkauf, die Kommunikation usw. beziehen kann und das dann in Teams durchgeführt wird. Die Mitarbeiter haben mehrere Stunden pro Woche Zeit, um an ihrem Projekt zu arbeiten und es nach und nach dem Top-Management zu präsentieren. Dabei handelt es sich oft nicht um große Innovationsprojekte, sondern um kleinere, aber sinnvolle Ansätze. Ein Projekt war zum Beispiel die Umstellung der Glühbirnen in unserem Werk in Darmstadt auf LED, um es umweltfreundlicher zu machen.
J-BIG: Worin sehen Sie die größte Herausforderung für die Zukunft Ihres Unternehmens?
Ergin Cansiz: Ich denke, der Wandel, den HORIBA derzeit mit der Elektrifizierung der Automobilindustrie erlebt, ist definitiv eine neue Herausforderung, da die Automobilherstellung und das Emissionsgeschäft tief in unserer Kern-DNA verwurzelt sind. Wir freuen uns darauf, über neue Lösungen für die Automobilindustrie nachzudenken und zu sehen, welche Möglichkeiten sich aus diesem Wandel ergeben werden. HORIBA wird weiterhin einen Beitrag zur Gesellschaft leisten und die Welt zu einem saubereren Ort machen, indem wir unser Produktportfolio ständig aktualisieren und einzigartige Lösungen entwickeln.
Hiroyuki Urabe: Für HORIBA ist es die wichtigste Herausforderung und Aufgabe, an das Allgemeinwohl zu denken: Für unsere Mitarbeiter, unsere Kunden und die Umwelt. Wir wollen mit unseren Lösungen immer nach Glück streben.